Sein ganzes Leben hatte ein Bauer hart gearbeitet. Von früh bis spät plagte er sich ab und lebte trotzdem von der Hand in den Mund. Er hatte eine große, an Kindern reiche Familie. Eines Tages fuhr nun der Bauer in den Wald, um sich mit Holz zu versorgen. Er hackte Holz, stapelte es auf seinen Schlitten und wollte schon losfahren. Aber plötzlich schwankte sein treues Pferd, wieherte wehleidig und stürzte zu Boden. „Was ist los, mein liebes Pferd?“, fragte der Bauer erschrocken, „ habe ich dich etwa so gejagt? Ich bin doch ein Dummkopf!“ „Mach dir keinen Vorwurf, mein Herr“, sagte das Pferd, „ es scheint so, dass meine Zeit gekommen ist“. „Was werde ich denn jetzt machen?“, fragte der Bauer und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Du bist doch unser einziger Ernährer. Im Frühling muss ich die Erde pflügen, im Sommer die Ernte einbringen und im Herbst die Wiesen mähen. Und außer dem allen gibt es noch so viel zu tun! Allein werde ich die Arbeit niemals bewältigen. Ohne dich geht es ja gar nicht.“ „Mein Herr“, sagte das Pferd, „mir sind deine Sorgen wohl bekannt. Seit Jahren haben wir zusammen gearbeitet. Und sogar ich, ein Pferd, war völlig erschöpft, und du, ein schwacher Mensch, warst immer munter. Du konntest es nicht lassen, vor dich hin zu singen, obwohl dir schwer ums Herz war. Es tut mir wirklich leid um dich, deine schöne Frau und deine Kinder. Deswegen erzähle ich dir das Geheimnis, wie du dich der Not entreißen kannst.“ Der Bauer hörte seinem Pferd zu, umarmte dessen Kopf dabei und weinte bittere Tränen. Es schien ihm alles wie in einem furchtbaren Traum, der bald zu Ende geht. „Jetzt pass auf“, sagte das Pferd, „wenn ich sterbe, so begrabe mich hier und merke dir diesen Platz gut, denn du sollst genau in einem Jahr wiederkommen, um mich auszugraben“. „Ich möchte dich weder begraben noch ausgraben“, erwiderte der Bauer, „ich spanne dich jetzt aus dem Schlitten aus, und wir traben Schritt für Schritt nach Hause. Ich werde dich gesund pflegen, mein liebes Pferd! Und solange du noch nicht wieder gesund bist, lebst du in meinem Haus.“ „Danke für deine Güte, mein Herr. Mache aber doch, was ich dir sage. Nach meinem Tod nimm die Hufeisen ab, lege sie auf den Erdboden, verwechsele aber nicht dabei die vorderen mit den hinteren Hufeisen und sprich: „Hufeisen, Hufeisen, arbeitet für das Pferd und helft mir, mich der Not zu entreißen. Los!“ „Wie ist das möglich, dass Hufeisen ohne Pferd den Schlitten ziehen?“, fragte der Bauer erstaunt. „Bald wirst du es selbst sehen. Wenn die Zeit kommt, die Erde zu pflügen, dann gehe zum Schmied und lass ihn einen Pflug aus den Hufeisen anfertigen, im Sommer dann eine Sichel, im Herbst eine Sense und im Winter eine Schaufel. Mit dieser Schaufel grabe mich in einem Jahr aus“, sprach das Pferd und verstarb. Der Bauer konnte immer noch nicht glauben, dass sein Pferd nicht mehr da ist, er kniete vor dessen leblosem Körper und verabschiedete sich von ihm wie von einem guten Freund. Dann machte er alles, was das Pferd gesagt hatte: er nahm also die Hufeisen ab, deckte das Pferd mit einer Pferdedecke zu und begrub es im Wald. Bald wurde es dunkel. Die Wölfe fingen an zu heulen und schlichen sich immer näher und näher an den Bauern heran. Ein Wolf sprang sogar in den Schlitten, aber der Bauer jagte ihn mit einem großen Holzscheit weg. „Ist etwa meine Zeit auch gekommen?!“, flüsterte er. „Mein Tod wird grausam sein. Die Wölfe werden mich in Stücke reißen. Ach, mit dem Pferd hätte ich den Wald blitzschnell verlassen!“ Zum Glück erinnerte er sich dann an die letzten Worte seines Pferdes. Er legte also die Hufeisen auf den Boden, setzte sich in den Schlitten und sprach: “Hufeisen, Hufeisen, arbeitet für das Pferd und helft mir, mich der Not zu entreißen. Los!“ Der Schlitten bewegte sich nicht, gerade so als ob der Bauer nichts gesagt hätte. Die Wölfe jagten um ihn herum. Und jeden Augenblick konnten sie sich auf ihn werfen. Da begriff er, dass er die vorderen Hufeisen mit den hinteren verwechselt hatte. Nun legte er sie um, setzte sich schnell in den Schlitten und sprach wieder die Zauberworte aus. Und der Schlitten schoss so schnell wie von einer ganzen Pferdeherde gezogen von dannen. Die Wölfe rannten hinterher, um den Bauern einzuholen. Da hatten sie sich aber verrechnet! In Windeseile kam der Bauer zu Hause an und fuhr durch das offene Tor. Er stand erstarrt wie ein Pfahl da, nicht imstande, auch nur ein Wort zu sagen, um so mehr seiner Familie zu erklären, was geschehen war. Als seine Frau und die Kinder aber erfuhren, was mit dem Pferd passiert war, brachen sie in Tränen aus und vergossen Tränen bis zum nächsten Morgen. Um seine Familie wenigstens etwas aufzumuntern, entschied sich der Bauer, ihnen ein Wunder zu zeigen. Er legte also die Hufeisen auf den Fußboden, setzte sich behäbig in den Schlitten und sprach leise die Zauberworte aus ... und der Schlitten zog von allein los. Seine Frau und die Kinder schauten zu, alle Nachbarn versammelten sich auf dem Hof, alle sperrten den Mund auf und trauten ihren Augen nicht: Der Bauer fuhr mit dem Schlitten ohne Pferd erst über den Hof, dann durch die Straße und danach verschwand er in der Ferne. Die Kunde über den Bauern, der ohne Pferd fuhr, verbreitete sich überall mit Windeseile. Sogar fremde Gesandte besuchten häufig den Bauern, um ihn nach diesem Wunder zu befragen. Sie boten viel Geld für Hufeisen und Schlitten an. Der Bauer blieb aber stumm wie ein Fisch und lachte sich nur in seinen Bart hinein. Bald kam der Frühling. Der Bauer ging also zum Schmied und bat ihn, einen Pflug aus den Hufeisen zu machen. Der Schmied verrichtete zügig seine Arbeit. Der Bauer zahlte ihm gut und ging aufs Feld. Da steckte er den Pflug in die Erde und sagte: „Pflug, Pflug! Arbeite für das Pferd und hilf mir, mich der Not zu entreißen. Los!“ Der Bauer wollte sich erst selbst einspannen, um zu zeigen, wie man richtig pflügt. Das war aber gar nicht nötig, da der Pflug seine Sache verstand und dann vom Morgen bis zum späten Abend unaufhörlich arbeitete. An einem Tag erledigte der Pflug so viel Arbeit, wie der Bauer und das Pferd sonst in zwei Wochen geschafft hatten. Schneller als die anderen bestellte der Bauer sein Feld mit Weizen. Und da er nicht gewohnt war, herumzulungern, kam er zu jedem, der mit seinem Acker Schwierigkeiten hatte, zu Hilfe. Tag für Tag war der Bauer ganz bei der Arbeit. Und dann begann der Sommer. Der Bauer kam wieder zum Schmied. Und diesmal machte dieser eine Sichel für ihn. Dann ging der Bauer auf sein Feld. Als er ankam, sagte er zu der Sichel: „Sichel, Sichel! Arbeite für das Pferd und hilf mir, mich der Not zu entreißen. Los!“ Die Sichel ließ nicht lange auf sich warten und machte sich sofort an die Arbeit. Die Sichel erntete den Weizen selbst und der Bauer, seine Frau und seine Kinder banden die vollen Ähren in Garben und legten sie in Schober. So ging die Arbeit flott von der Hand. Es war eine wahre Freude. Die Arbeit war noch vor Sonnenuntergang erledigt und trotz der Müdigkeit waren alle frohen Mutes und gedachten des Pferdes im Guten. Die Ernte war so ergiebig wie noch nie. Der Bauer und seine Familie brauchten sich jetzt keine Sorgen zu machen, da es Getreide in Hülle und Fülle gab, und das nicht nur für ihre Familie, sondern auch für die Nachbarn, wenn sie es nötig hatten. Im Herbst fertigte der Schmied aus der Sichel eine scharfe Sense. Der Bauer ging also auf die Wiese und sagte: „Sense, Sense! Arbeite für das Pferd und hilf mir, mich der Not zu entreißen. Los!“ Und die Sense mähte so viel ab, dass das Heu für das große und kleine Vieh auch für die nächsten drei Jahre gereicht hätte. Und nun lebte der Bauer in Wohlstand. Und trotzdem hatte er das ganze Jahr alle Hände voll zu tun. Arbeit am Haus war immer da: hier musste er den Zaun reparieren und da das Dach flicken ... Sogar im Winter gab es etwas zu tun. Der Hof war so zugeschneit, dass man tagelang den Schnee wegschaufeln musste. Bald ging der Bauer wieder zum Schmied, um aus der Sense eine Schaufel machen zu lassen. Von der Schmiede ging er dann direkt in den Wald, wie er seinem treuen Pferd vor einem Jahr versprach. Mit Mühe fand er den Platz, wo er das Pferd begraben hatte. Da stand der Bauer nun und zögerte mit dem Graben. Etwas später richtete er sich auf und fing an. Er grub lange Zeit und konnte nichts finden. Der Bauer dachte schon, dass er sich im Platz des Grabes geirrt hatte, als er auf einmal merkte, wie seine Schaufel an etwas Hartes stieß. Der Bauer grub weiter und fnun sah er eine Eisentruhe mit einem Vorhängeschloss. Der Bauer hob die Truhe vorsichtig aus dem Grab, legte sie auf die Erde, riss mit der Schaufel das Vorhängeschloss auf, machte den Deckel auf und ... stöhnte. Noch nie im Leben hatte er so einen Schatz gesehen. Die Truhe war voll gefüllt mit goldenen Münzen. Der Bauer nahm also die Truhe mit und machte sich auf den Weg nach Hause. So ging er und dachte bei sich: „Warum riet mir denn Orlik nicht, den Schatz sofort zu heben? Dann hätte ich weder die Erde gepflügt noch Weizen gesät noch Heu gemäht.“ Dann schlug er sich vor die Stirn und rief: „Wie kann ich denn diesen Schatz überhaupt mit meinem erreichten Wohlstand vergleichen?“ Als der Bauer zu Hause ankam, wartete da schon der Zar mit seinem Gefolge auf ihn. „Bist du derjenige, der sich in nur einem Jahr aus der Not losgerissen hat?“, fragte der Zar mit zugekniffenen Augen. „Je nach dem, Euer Majestät“, sagte der Bauer, „aber bevor ich auf Eure Frage antworte, löst bitte ein Rätsel!“ „Gib es mal auf, Bauer! Dann siehst du, wie klug ich bin.“ „Im Frühling rennt ein grauer Hase über das Feld und im Winter läuft schon ein weißer Hase darüber. Sagt, Eure Majestät, wie viele Hasen sind das insgesamt?“ „Einen Zarenverstand stellt man nicht mit einem Bauerverstand auf eine Stufe“, antwortete der Zar, „Du bist dumm, wie ich sehe. Zwei Hasen! Das ist doch klar! Und jetzt sprich dein Geheimnis deinem Zar ins Ohr. Und ich belohne dich großzügig.“ „Die Freigebigkeit des Zaren werde ich sowieso noch bedauern müssen. Das Rätsel, Euer Majestät, habt Ihr wohl nicht erraten.“ „Das ist doch unmöglich!“, rief der Zar. „Waren es etwa drei Hasen? Wie viele Hasen rannten denn über das Feld?“, fragte er sein Gefolge. Die einen sagten, dass es zwei Hasen waren, die anderen sprachen von dreien. Und am Ende einigten sie sich über vier Hasen. „Und wie viele Hasen waren es deiner Meinung nach?“, fragte der Zar den Bauer. „Einer. Es war ein Hase“, sagte der Bauer. „Wie denn ein Hase?“, staunte der Zar, „du hast doch selbst von zwei Hasen gesprochen“. „Bedenken Sie doch, Eure Majestät! Ein Hase ist doch nur im Winter weiß und im Frühling ist der Hase schon grau. Also ging es um ein und denselben Hasen.“ „Ich habe von deinen Scherzen gehört“, sagte der Zar, „vor kurzem haben sich die fremden Gesandten übrigens bei mir über dich beschwert, dass du sie nicht achtest. Und jetzt lüfte mir dein Geheimnis. Keine Umschweife! Sonst bezahlst du mit deinem Kopf!“ „Ich habe mir schon selbst den Kopf zerbrochen“, sagte der Bauer, „ich hatte ein Pferd und leider starb es und da ich sein einziger Freund war, hinterließ es mir seine Erbschaft.“ „Mach keine Scherze, du Bauer!“, rief der Zar, „Wie kann ein Pferd eine Erbschaft hinterlassen? Das ist eine faustdicke Lüge!“ „Vielleicht habe ich jemanden überlistet und mich über fremde Gesandte lustig gemacht, aber nie im Leben habe ich jemanden belogen. Hier ist die Erbschaft, die mir mein Pferd hinterlassen hat“, sagte der Bauer und legte dem Zar die Truhe zu Füßen. Als der Zar den Schatz sah, wäre er fast von der Bank gefallen. Seine Krone rutschte erst auf die Seite und rollte dann über den Holzboden. Sein Gefolge warf sich zu Boden, um die Krone aufzuheben und schlug gegenseitig dabei die Köpfe ein. Der Bauer hob die Krone auf, drehte sie in den Händen und gab sie dem Zaren. „Wahrscheinlich bist du kein Bauer, sondern ein echter Räuber“, sagte der Zar und setzte sich die Krone mit zitternden Händen auf. „Wie ist das möglich, dass ein Bauer reicher als ein Zar ist?“ Der Bauer zögerte mit der Antwort und schaute mitleidig auf den Zaren und sein Gefolge. „Ich denke einfach“, sagte der Bauer, „wer von früh bis spät hart arbeitet, der hat das Recht, in Wohlstand zu leben. Wer aber leichtsinnig fremden Schatz begehrt, sitzt nicht mehr lange auf seinem Thron“. Der Zar verstand also, dass der Bauer seine Gedanken erriet, aber er zögerte dennoch wegzugehen, da er trotz alledem den klugen Worten dieses einfachen Mannes zuhören wollte. „Mein Pferd war doch sehr klug“, sprach der Bauer weiter, „nicht zu Unrecht meinte Orlik, dass nur derjenige sein Glück findet, der fleißig arbeitet und nicht derjenige, der auf puren Zufall vertraut und die Arbeit vernachlässigt.“ „Orlik, Orlik“, stöhnte der Bauer, „ deine Lehre ist doch jeden Schatz wert! Ich würde jetzt alles geben, um dich wieder zu sehen ...“ Und sobald er diese Wörter ausgesprochen hatte, hörte er das laute Getrappel der Hufe und dann das fröhliche Gewieher des Pferdes. „Ist mein Orlik etwa zurückgekommen?“, fragte sich der Bauer und wollte aus dem Haus hinauslaufen, aber der Zar und sein Gefolge stürzten schon los. Als er endlich auf dem Hof war, sah er, dass seine Kinder das Pferd umarmten und küssten. Der Zar wollte dieses kluge Pferd gern für sich haben, als er aber den Bauern anschaute und die Tränen in seinen Augen sah, verstand er, dass der Bauer seinen Orlik nicht mal für eine goldene Krone abgibt.
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