Darsteller:
1. Ex-Ehemann Jörg
2. Jetziger Ehemann Martin
3. Sabine
Das Stück spielt in einer Zweiraumwohnung: in dem einen Zimmer wohnt der Ex-Mann, in dem anderen, einem Durchgangszimmer, das neue Ehepaar. Die gesamte Handlung spielt in diesem Raum.
Eine Alltagsszene: Am Morgen. Martin und Sabine machen sich auf zur Arbeit. Hinter der Tür hört Ex-Mann Jörg ihr Gespräch mit.
Handlung 1
Martin: Sorry, Liebling, ich hatte gestern wohl ein wenig zu viel getrunken ...
Sabine: herablassend, mit trockener Satire in der Stimme
Ja, sicherlich, ein wenig halt ...
Martin: Ja, ich habe mich wirklich etwas übernommen.
und in Anspielung auf seine ehelichen Pflichten
Aber alles andere war eigentlich gar nicht so schlecht.
Sabine: Jawohl, gar nicht so schlecht.
Martin: Echt?
Sabine: Natürlich: Du warst und bist der Superman!
Martin: Also war alles recht?
Sabine: Alles.
Pause
Mit Ausnahme natürlich dieser einen Sache ...
Martin: Und trotzdem warst du mit mir unzufrieden?
Sabine: Und ob! Nicht nur ich, sondern auch noch ein anderer war gestern geradezu
verrückt nach dir.
Martin: Und wer denn?
Jörg: ruft entrüstet hinter der Tür hervor
Und er fragt noch, wer? So ein Schuft!
Martin: Was geht dich das an?
Jörg: schaut aus der Tür
Wie jetzt? Du hast dich doch heute nacht in mein Zimmer geschlichen und fingst an, mich zu belästigen.
Martin: Dich? Na, dich habe ich ja wohl noch gebraucht.
Jörg: Tja, ich habe nie daran gezweifelt, dass ich nach deinem Geschmack bin.
Martin: Was redest du da für einen Blödsinn? Werd' erst mal wieder nüchtern!
Jörg: öffnet die Tür ganz
Perverser!
schließt die Tür wieder
Martin: wendet sich an seine Frau
Hör mal, was will der denn?
Sabine: Nun, du hast doch selbst gefragt, wer noch mit dir zufrieden war.
Martin: Du willst sagen ...
Jörg: imitiert die Stimme und äfft den zweiten Ehemann nach
Schaaatz! Ich liebe dich so sehr. Du bist meine einzige und letzte Liebe.
spricht nun mit eigener Stimme
Und ist doch in mein Bett gekrochen. Kam an wie ein Notgeiler ... Ferkel!
Martin: Da war nichts dergleichen!
Jörg: Und doch sage ich, dass es passiert ist!
Martin: Nein.
Jörg: Ja.
Martin: Niemals.
Jörg: Ich habe sogar einen Zeugen.
Martin: Einen geköderten?
Jörg: Du selbst bist geködert ... Du Narr. Meine erste Frau kann dir alles in vollem Umfang bestätigen. Dir, ihrem jetzigen Ehemann. Und Gott weiß, es ist nicht der letzte, das sind meine wahren Worte.
Martin spricht unsicher Schatz, soll das alles wirklich so gewesen sein, wie dein erster Mann so sagt?
Sabine: Ich war gerade im Bad, als du kamst. Und dann habe ich dich in den Armen meines früheren Ehemannes gefunden.
Jörg von hinter der Tür
Nun, was Umarmungen angeht, da wäre ich nicht so kategorisch. Aber es war wie eine Begebenheit aus dem Zoo. Vielleicht so wie eine Fliege, die sich in einem Spinnennetz verfängt, und die Spinne drückt und würgt sie dann in ihren Armen bis zum Morgen.
Martin: Na, dann komm mal aus deinem Zimmer, Spinne, und lass uns unter Männern reden!
Jörg: Es ist längst an der Zeit für dich, zur Arbeit zu gehen.
Martin: Lass das mal meine Sorge sein, du Schmarotzer!
Jörg: kommt aus der Tür
Nun, das geht schon über alle Grenzen des Anstands. Ich …
klopft sich an die Brust
… als Meister des künstlerischen Ausdrucks werde Schmarotzer genannt, und das von einem Busfahrer, der sich streng auf der Linie 33 zu bewegen hat, auf der es bloß 15 Stationen, 42 Kreuzungen, 12 Ampeln, 4 Zebrastreifen und nicht ein einziges Schild "Vorfahrt beachten" gibt.
Die Männer geraten laut aneinander, schreien und rempeln sich an.
Martin: Also, wer bist du?
Jörg: Und wer bist Du?
Martin: Ich bin der Ehemann!
Jörg: Ich bin auch der Ehemann. Zumal der erste.
Martin: Der Ex-Mann!
Jörg: Ex-Männer gibt es nicht. Idiot!
Martin: Du bist ein Nichts!
Jörg: Ich bin ein Nichts? Ja, wenn du es genau wissen willst, ich bin für meine erste Frau ein Verwandter! Für ewig!
Sabine: Warum hast du dich auf unser Territorium gewagt?
Jörg: Er hat es gewagt, mich in deiner Gegenwart zu beleidigen, Biene!
Martin: Warum nennt er dich so: Biene?
Jörg: Dich hat keiner gefragt. Ich habe sie immer so genannt. Nicht wahr?
Sabine: Ich kann mich nicht erinnern.
Jörg: Nein, das ist eine Frage des Prinzips. Ja oder nein?
Sabine: Scheint so.
Jörg: Nun, das ist es, was zu beweisen war. Bist du zufrieden, Busfahrer?
Martin: schaut auf die Uhr
Leider habe ich jetzt keine Zeit, dir alles kleinklein zu erklären. Aber wenn ich von der Arbeit zurückkomme, werden wir dieses Gespräch noch weiterführen. Mach dich darauf gefasst!
Jörg: Was kannst du mir schon anbieten? Wenn du wenigstens Obus-Fahrer wärst, dann
würdest du zwei Stangen mit nach Hause bringen, und wir würden uns mal duellieren. Aber so, na ja, was hast du schon zu bieten?
Martin: Ich bring uns zwei Schraubenschlüssel mit: einen für dich, den anderen für mich. geht weg
Handlung 2
Jörg: ruft seinem Nebenbuhler hinterher
Sehr geehrte Fahrgäste! Vergessen Sie nicht, den Fahrpreis zu zahlen. Achtung, Türen schließen! Nächste Haltestelle — Endstation.
wendet sich an die Ex-Frau
Und was hast du an ihm gefunden? Ich verstehe das nicht. Immerhin hattest du stets so einen ausgewählten Geschmack gehabt ...
Sabine: Ich habe nicht vor, mich vor dir zu rechtfertigen.
Jörg: Du hast dich in letzter Zeit nie mal mit mir beraten, und das Ergebnis ist dein jetziger Ehemann. Wo hast du den eigentlich ausgegraben?
Frau: zeigt mit dem Finger auf die Tür zum Bad
Mir scheint, du wolltest wohin, nicht wahr?
Jörg: Zur Toilette muss ich jetzt nicht.
Sabine: Und was machst du dann hier?
Martin: Ich dachte, dass die allgemeinen Regeln des Zusammenlebens zweier Familien nur in der Gegenwart Dritter gültig sind.
Sabine: Und wer ist der Dritte?
Jörg: Natürlich dein zweiter Ehemann. Er stört uns hier nur.
Sabine: Dann werde ich dich mal nicht weiter aufhalten. Geh in dein Zimmer.
Jörg: Warum?
Sabine: Ich muss mich anziehen!
Jörg: Gut, dann zieh dich an. Gottchen, wir sind doch unter uns, Verwandte!
Sabine: Und sind es doch nicht mehr. Ich habe jetzt einen anderen Mann, das weißt du.
Jörg: schenkt den letzten Worten seiner Ex-Frau keine Aufmerksamkeit
Welches Kleid ziehst du heute an?
er geht zum Schrank und wählt aus
Vielleicht dieses? Etwas salopp, aber es ist doch zu bunt. An deiner Stelle würde ich einen strengen Businessanzug wählen. Du bist einfach sexy in ihm. Einfach bombig ... trotz deines schon fortgeschrittenen Alters.
Sabine: Also ich habe nicht vor, mir schon am Morgen deine neuerlichen Beleidigungen
anzuhören.
Mann: Dies ist keine neue Beleidigung, sondern eine Feststellung. Schließlich bist du nicht mehr jung, und es ist an der Zeit für dich, ernsthaft darüber nachzudenken.
Sabine: Sag, was willst du?
Jörg: Dich.
Sabine: Verschwinde in dein Zimmer.
Jörg: Ich möchte doch nur mit dir reden ... über uns, über Frauenfragen.
Sabine: Ich habe dafür keine Zeit.
Jörg: spricht beleidigt und geht in sein Zimmer
Ewig hast du keine Zeit für mich. Deine ganze Zeit gehört nur ihm, diesem Fahrer.
Die Frau fängt an, ein Kleid nach dem anderen anzuprobieren, aber jedes Mal hört sie die unzufriedene Stimme ihres ersten Ehemannes von hinter der Tür.
Jörg: Diese Bluse passt gar nicht zu dir.
Sabine: Davon verstehst gerade du etwas!
Jörg: Und die ist dazu noch viel zu blickdurchlässig.
Sabine: Na, und?
Jörg: Dann musst du einen anderen BH nehmen.
Sabine: Ich habe dich nicht danach gefragt.
Jörg: Und zu diesem Rock hast du nicht die passenden Schuhe.
Sabine: Dafür habe ich eine passende Tasche.
Pause
Vielleicht ziehe ich besser einen Hosenanzug an.
probiert einen an
Jörg: Hör auf, dich in die Hosen hineinzuzwängen. Die sind dir zu klein.
Sabine: Willst du damit sagen, dass ich ziemlich zugenommen habe?
Jörg: Nein ... nicht sehr. Bloß so zwölf Kilo.
Sabine: Was?
Jörg: Sorry, aber ich konnte dir die bittere Wahrheit nicht vorenthalten. Da hat dich dein
zweiter Ehemann ganz ordentlich durchgefüttert. Und ich sage dir, ganz bewusst. Er will halt nicht, dass du mir auch weiterhin gefällst.
Frau: beschaut sich im Spiegel
Ganz im Gegenteil, ich habe sogar abgenommen.
Pause
Meinst du nicht?
Jörg: Ganz genau. Also hat dich dein heutiger Göttergatte mit Hunger gemartert, so dass du stark abgenommen hast und mir nun nicht mehr gefällst.
Sabine: Gott sei Dank, dass es außer dir und ihm noch Männer gibt, die etwas von wahrer
fraulicher Schönheit verstehen.
Jörg: Vielleicht hast du dich deshalb so provokativ angemalt. Wer legt denn so ein Makeup auf, mein Gott!
Sabine: Mach den Mund endlich zu.
Jörg: Nun, wie du meinst. Doch vergiss trotzdem nicht, dass du Ärztin bist und kein leichtes Mädchen.
Frau: trotz der Meinungsverschiedenheit mit ihrem früheren Ehemann folgt sie seiner Anweisung
Mit dir bin ich noch nicht einmal ein leichtes Mädchen, sondern weiß der Teufel was. Geradezu eine Kinderpuppe, die du nach eigenem Gutdünken an- und ausziehst.
Jörg: Genau so ist es nicht schlecht. Nur nicht so stark mit Parfüm einsprühen. Das ist doch mein Geschenk für dich. Übrigens, ein teures.
Frau: öffnet die Tür zum Zimmer des ehemaligen Ehemanns, der auf der Schwelle hockt
Hier, nimm dein teures Geschenk.
Jörg: Ich nehm es auch.
Er nimmt die Parfümflasche aus den Händen seiner Frau und beginnt, daran zu riechen.
Sabine: Was machst du da?
Jörg: Ich nehme mein Parfüm von dir zurück.
Sabine: Du hast doch eine Allergie!
Jörg: Danke, dass du dich wenigstens daran noch erinnerst. Wo gehst du hin?
Sabine: Zur Arbeit natürlich. Ich habe doch heute meine Sprechstunde.
Jörg: Hat man dich von der Arbeit aus noch nicht angerufen?
Sabine: Nein. Weswegen sollte man mich anrufen?
Jörg: Ich frage nur so. Darf ich nicht mal fragen, wie es so läuft auf Arbeit? Und trotzdem ist es seltsam, dass man dich noch nicht angerufen hat.
Die Frau steht bereits in der Tür, als das Telefon klingelt. Der Mann nimmt an.
Jörg: Wer? Ah, von der Arbeit! Endlich. Für dich.
gibt ihr den Hörer
Sabine: Mich?
spricht am Telefon
Komisch, dass alle Patienten abgesagt haben ... Dann habe ich heute auf Arbeit nichts zu tun.
legt auf
Jörg: Oho!
Sabine: Gib zu, dass du das eingerührt hast! Warum hast du das getan?
Jörg: Was habe ich getan?
Sabine: Weich nicht aus!
Jörg: Ich weiß, du verstehst das nicht. Wahrscheinlich sind alle deine Patienten plötzlich gesund geworden oder verstorben. Wie wäre es dir lieber?
Sabine: Es wäre gut, wenn sie alle gestorben wären.
Jörg: Korrekt. Es sollten nicht nur Ärzte ihr Geld verdienen, sondern auch Bestattungsunternehmen.
Sabine: Sag das nicht so.
Jörg: Egal ob ich so rede oder nicht, es läuft auf einen freien Tag für dich hinaus. Vielleicht
gehen wir irgendwo hin?
Sabine: Ich gehe nirgendwo hin. Ich bleibe zu Hause.
Jörg: Nun, gut. Warum auch weggehen und Geld verschwenden.
Sabine: Ich will allein sein.
Jörg: Ruh dich aus. Wenn du willst, mache ich uns etwas Schönes zu essen: Toast, Rührei und Kaffee ans Bett.
Sabine: Vielleicht Kaffee.
Jörg: läuft in die Küche
Kommt sofort.
bringt alsbald eine Tasse Kaffee
Und warum bist du noch nicht im Bett?
Sabine: Danke für den Kaffee. Aber jetzt will ich wirklich allein sein.
Jörg: steht daneben und bewegt sich nicht von seinem Platz
Verstehe. Also halt allein.
Sabine: Lass mich allein.
Jörg: Okay, ich gehe. Dann werde ich mich mal weiter meiner Kunst widmen.
Pause. Die Frau trinkt Kaffee und zieht sich häuslich an.
Sabine: Hör mal, mein Ex-Mann, hast du dich in Sachen Tausch schon entschieden? absolute Stille
Hey, Schriftsteller, bist du taub?
Ins Zimmer kommt der Ex-Mann mit einem CD-Player und Kopfhörern. Er summt etwas vor sich hin.
Sabine: Und das nennt sich also arbeiten? Was hörst du?
Jörg: Musik.
Sabine: Etwas Klassisches?
Jörg: Mit deinem Fahrer bist du der Zeit völlig hinterher. Heute hört man klassische Musik
nur bei der Beerdigung. Für aktive und moderne Menschen gibt es Rap. Und die Reime sind wie Ohrwürmer.
Dieser Beat ist obszöner als vom Chinesen ein Döner,
ein irokesischer Römer, der sagt er fühlt sich nackt schöner,
das ist ekelhaft, nein das ist wie Sonne im Winter,
wie ein Platz voller Kinder und BSE freie Rinder.
Quelle: Semxer Part bei "High Society - Balkon"
Sabine: Also, was ist mit dem Tausch? Das letzte Mal hatte ich dir doch drei wirklich gute Angebote gemacht. Wenn es klappt, können wir unsere Zweiraumwohnung in zwei Einraumwohnungen mit etwas Zuzahlung eintauschen.
Jörg: Und wer wird zuzahlen?
Sabine: Wir.
Jörg: Das heißt ich und du.
Sabine: Nein, ich und mein zweiter Ehemann.
Jörg: Nun, du verstehst sicherlich selbst, dass ich mir nicht erlauben kann, dass ein anderer
Mann für mich bezahlt. Vor allem dein zweiter Ehemann.
Sabine: Wir bezahlen nicht im Restaurant, also hab dich nicht so.
Jörg: Ich habe kein Geld.
Sabine: Du hast doch gesagt, dass du ein Honorar bekommen hast!
Jörg: Mein Geld ist nicht dazu da, damit ich für deinen … ein angenehmes Nest baue.
Sabine: Willst du absichtlich nicht auseinandergehen?
Jörg: Und noch etwas. Es gibt einfach keine mehr oder weniger angenehmen Varianten. Obwohl doch, eine...
Sabine: Und welche?
Jörg: Wir könnten unsere Zweiraumwohnung in zwei Zimmer in einer Teilwohnung
umtauschen.
Sabine: In einer Teilwohnung?
Mann: Ja, eine ausgezeichnete Option. Zwei Zimmer am Rande der Stadt, ohne sanitäre
Einrichtungen, Toilette auf dem Hof, aber dafür die Zimmer genau gegenüber. Am besten auf einer Seite, das wäre nicht schlecht. Da sind wir alle unter gegenseitiger Beobachtung. Nun, tauschen wir? Ich bin dafür!
Sabine: mit zusammengebissenen Zähnen
Das geht so nicht.
Jörg: Also werden wir auch weiterhin etwas Passendes suchen. Zeit haben wir ja.
Sabine: Dann bin ich gezwungen, zum Gericht zu gehen.
Jörg: ... am besten für Menschenrechte.
Sabine: ... und dich zwingt man letzten Endes, die Wohnung zu tauschen.
Jörg: Der Gerichtsprozess dauert mindestens ein halbes Jahr, wenn nicht sogar ein ganzes. Sabine: Lass es uns im Guten klären. Sag mir, was gefällt dir an meinen Varianten nicht?
Jörg: Alles passt, außer ... die Trennung, die uns distanziert.
Sabine: Lass uns ernsthaft reden. Denn wir sind schon zwei Jahre geschieden. Ich bin ein Jahr neu verheiratet. Lass uns wie zivilisierte Menschen auseinander gehen: ohne Geschrei, ohne Skandale und ohne Hysterie.
Jörg: Und ohne Stöhnen, bitte.
Sabine: Was für Stöhnen?
Jörg: Ich wollte dich schon lange fragen, aber es gab noch keinen passenden Moment: Und warum stöhnst du nachts nicht? Kann dich dein Neuer etwa nicht befriedigen?
Sabine: Und was hat das mit unserer Sache zu tun?
Jörg: Direkt etwas. Warum schreist du nicht vor lauter Vergnügen in der Nacht?
Sabine: Ich will es nicht.
Jörg: Dass du nicht willst, das glaube ich nicht! Du wolltest das doch immer. Da ist
irgendetwas mit ihm, dem Fahrer der Linie dreiunddreißig. Was, bringt er es etwa nicht?
Sabine: Mach dir keine Sorgen. Mit ihm ist schon alles in Ordnung.
Mann: Oder bringen wir ihn vielleicht zum Augenarzt?
Sabine: Warum zum Augenarzt?
Jörg: Warum nicht, denn einerseits stöhnst du nicht, und andererseits wollte er mit mir in der Nacht anbandeln. Er scheint also schlecht zu sehen. Er kann sich nicht mehr orientieren, der Arme.
Sabine: Ich werde nur deshalb nicht laut des Nachts, weil ich weiß, dass du hinter dieser Tür stehst und alles mithörst.
Jörg: Ich? Mithören? Niemals! - Das heißt also, in Sachen Sex ist bei euch alles in Ordnung?
Sabine: Ja.
Jörg: Na, Gott sei Dank!
Sabine: Also, bist du nun einverstanden mit dem Tausch?
Jörg: Fast. Nur habe ich da noch eine andere Frage: Warum habt ihr bis jetzt noch keine Kinder? Ihr verhütet also immer?
Sabine: Ich hüte mich vor dir, ja.
Jörg: Also hat er nicht die Kraft, dich zur Mutter zu machen! Nun, das dachte ich mir so.
Sabine: An allem ist dein Schnarchen hinter der Wand schuld.
Jörg: Mein Schnarchen kann deinen Mann nicht stören. Das sind alles Ausreden. Er selbst schnarcht wie zehn Pikinesen zusammen genommen. Vielleicht meint er es nicht ernst mit dir. Einmal drauf und weg.
Sabine: Du denkst, er ist genau so wie du.
Jörg: Ich denke, schlimmer. Er hat mir gleich, vom ersten Moment an, nicht gefallen. Er ist nicht gerade ein intelligenter Typ.
Sabine: Sprich nur nicht so schlecht über ihn! Er ist besser als du.
Jörg: Interessant wodurch?
Sabine: Durch alles eben! Ich will nicht mehr in deiner Gegenwart über ihn reden.
Jörg: Und ich war schon so nahe dran, man kann sagen geneigt zu einer positiven Entscheidung, unsere Wohnung zu tauschen oder zu verkaufen, während die andere Partei wiederum den ganzen Deal kaputtmacht. Ich gehe auf mein Zimmer. Ich fühle, dass meine Inspiration jetzt zu Ende geht.
Sabine: Brauchst du seine persönlichen Angaben?
Jörg: Die habe ich längst. Eine ganze Kartei, die täglich mit neuen Informationen gefüllt wird, die ihn diskreditieren. Es reicht nicht, dass er Alkoholiker ist. Nein, er führt dich auch noch an der Nase herum.
Sabine: Was willst du damit sagen?
Jörg: Er geht fremd.
Sabine: Das glaube ich nicht.
Jörg: Vor drei Tagen habe ich persönlich deinen Mann in Begleitung ... dreier Männer gesehen.
Sabine: Was soll daran sein?
Jörg: Also macht dich diese Tatsache nicht stutzig?
Sabine: Überhaupt nicht.
Jörg: Die letzte Nacht hat meine bisherigen Erkenntnisse vollauf bestätigt.
Sabine: Er hat dir doch klar gesagt, dass er sich einfach in der Tür geirrt hat!
Jörg: Es wäre besser gewesen, wenn er sich im Fenster geirrt hätte.
Sabine: Und das alles soll beweisen, dass mein Mann fremdgeht?
Jörg: Natürlich nicht. Mir kommt gerade jetzt erst in den Sinn, dass diese drei Männer vielleicht nur verkleidete Frauen waren. Irgendwelche Weiber! Warum habe ich mir das nicht gleich gedacht? Der schwarze Bart des einen Schlaksigen erschien mir von Anfang an verdächtig. Der hat etwas unnatürlich gewippt. Und der andere hatte ein Tattoo auf dem Arm mit dem Mädchennamen Valentina. Obwohl der letzte Buchstabe weggemacht war. Aber ich lass mich da nicht täuschen. Ich habe das genau erkannt. Ja, und die zwei Schnitte auf der rechten Wange des dritten Subjekts lassen mir keine andere Wahl, als die einzig richtige Schlussfolgerung zu treffen, dass auch der letzte Freund deines zweiten Ehemannes eine Frau war. Nur eine ungeschickte Frau kann ihr Gesicht mit einer Rasur so entstellen. Und das gleich zweimal. Das ist halt kein Einlagenwechseln. Jetzt weißt du, mit wem du es zu tun hast.
Sabine: Wenn nötig, kläre ich das selbst mit meinem Mann.
Jörg: Wann?
Sabine: Wenn wir allein sind - ohne Zeugen.
Jörg: Ohne wen?
Sabine. Ohne dich!
Jörg: Und hast du keine Angst vor ihm?
Sabine: Nicht vor ihm. Nur vor dir.
Jörg: verwirrt
Das hätte ich nicht gedacht.
Sabine: Natürlich denkst du nicht daran und kannst dir nicht einmal vorstellen, dass man über mich sagt: "Ein Mann reicht ihr nicht, nein, sie muss sich noch einen zweiten anschaffen." Es ist einfach unerträglich.
Jörg: Und wer sagt das, interessanterweise?
Sabine: Ja, alle rundherum.
Jörg: Sage ihnen allen, den Weibern, dass sie dafür Hunde und Katzen halten. Und ihre Ehemänner haben ...
Sabine: Du bist verrückt.
Jörg: Nun, wenigstens haben sie Männer. Dass du einfach nicht verstehst, dass sie bloß neidisch auf dich sind. Oh, wie gern würden sie selbst nicht nur mit einem, sondern gleich mit zweien aufwachen. Einer macht das Essen, der andere wäscht, und der dritte ...
Sabine: Welcher Dritte noch?
Mann: Es scheint, ich bin ein wenig mitgerissen. Aber der Dritte hätte auch eine Aufgabe gekriegt.
Sabine: Ich möchte solchen Quatsch nicht mehr hören. Mach dich fort!
Mann: Bitte. Noch nicht einmal für dich zu träumen lässt du nicht zu. Wenn ich an deiner Stelle wäre, hätte ich alles und alle im Leben ... zur Verfügung.
Sabine: Warum heiratest du nicht?
Jörg: Man muss nicht aus allem ein Pathos machen. Mir geht es auch so ganz gut.
Sabine: Hast du eine Frau?
Jörg: Ja.
Sabine: Warum bringst du sie nicht einmal mit?
Jörg: Ich möchte eure familiäre Idylle nicht stören.
Sabine: Ich bin sicher, dass auch mein Mann nichts dagegen hätte.
Jörg: Noch was! Ich kenne ihn, ich brauche sie nur mitzubringen. Dann wird er sofort anfangen, meine liebe Frau zu belästigen.
Sabine: Ist sie so zugänglich?
Jörg: Nein, sie ist so schön. Mein perfekter Geschmack wird so zur Garantie für den moralischen Verfall deines zweiten Mannes. Er wird nicht Halt machen vor den Vorzügen meiner neuen Auserwählten. Du bist doch nicht etwa eifersüchtig auf mich?
Sabine: Nein.
Jörg: Dann mache ich weiter. Dein Mann wird vor dem Charme meiner schönen Liebsten nicht Halt machen... Bist du jetzt eifersüchtig?
Sabine: Auch jetzt nicht.
Jörg: ... und verlässt dich.
Sabine: Nun, das werden wir noch sehen, wer wen verlässt!
Jörg: Und wovon rede ich die ganze Zeit? Wirf ihn raus aus deinem Leben. Und ich finde sofort einen Neuen für dich. Gottchen, denkst du etwa, ich weiß nicht, wie und mit was man eine Frau glücklich machen kann? Wenn du willst, finde ich einen Blonden für dich!
Sabine: Nein, das will ich nicht.
Jörg: Oder vielleicht einen richtigen Schwarzhaarigen... Einen Macho!
Sabine: Nein.
Jörg: Dann eben einen Glatzkopf. Alle meinen, dass sie die leidenschaftlichsten Liebhaber wären.
Sabine: Ich liebe meinen zweiten Ehemann!
Jörg: Das scheint dir nur so! Ich merke das doch!
Sabine: Nun, wenn es zum Gericht gehen soll, dann also zum Gericht. Morgen schon nehme ich mir einen erfahrenen Anwalt.
Jörg: Und warum nicht schon heute?
Sabine: Weil ich heute Kopfschmerzen habe. Du hast mir den Kopf zermartert.
Jörg: Du verstehst es halt nicht, den Zugang zum Herzen eines Mannes zu finden. Nichts Weibliches ist mehr an dir. Einzig irgendwelche trockenen Regeln. Wirkliche Frauen haben jedoch so viele Mittel, um auf Männer einzuwirken.
Sabine: Muss ich irgendetwas tun, damit du mit dem Tausch einverstanden wärst?
Jörg: Ich weiß es nicht. Von uns beiden bist du die Frau. Also, denk' mal drüber nach. geht mit hoch erhobener Nase auf sein Zimmer
Pause.
Sabine: Willst du etwas essen, Liebster?
Ehemann: als ob er es erwartet hätte
Was für eine dumme Frage, meine Liebe! Natürlich. Und recht viel!
Sabine: Und etwas trinken?
Mann: Trinken noch viel mehr. Du kannst dich doch gut erinnern.
Die Frau deckt den Tisch und bittet ihren ersten Ehemann zu Tisch, der schnell und gefräßig zu essen beginnt.
Jörg: spricht mit vollem Mund
Das ist ganz so wie in den alten und guten Zeiten. Meinst du, dass ich jetzt essen möchte?
Sabine: Das denke ich ... und das sehe ich.
Jörg: Da irrst du dich. Ich esse auf Vorrat.
Sabine: Pass auf und erstick nicht dabei. Niemand jagt dich. Iss ruhig, kau das Essen ordentlich, wenn du willst, bringe ich dir noch was.
Jörg: Bring noch mehr. Hauptsache, für deinen Neuen bleibt nichts mehr übrig. Soll er wenigstens einen Tag fühlen, was es heißt, ohne meine Frau zu leben.
Sabine: Bist du satt?
Jörg: Ja.
Sabine: Dann kann ich das Geschirr abräumen.
Jörg: Jawohl. Aber lass die Flasche stehen. Es scheint so, dass sich dein Neuer für einen romantischen Abend in Unkosten gestürzt hat.
Frau: räumt den Tisch ab
Also, willigst du in den Tausch ein?
Jörg: Wenn diese Sache hier noch so weiter geht, habe ich nichts gegen den Tausch.
Frau: legt ein Dokument auf den Tisch
Dann unterschreibe hier diese Vollmacht.
Jörg: Wie – und das ist alles?
Sabine: Und was hättest du denn noch gerne?
Jörg: Und wo sind die Torte ... die Musik, ... die Kerzen?
Sabine: Welche Kerzen noch?
Jörg: Nun, solche, die wie Sterne um unser Ehebett brennen sollten.
Sabine: Du bist wirklich verrückt geworden!
Mann: Nun, brauchst du meine Unterschrift oder nicht?
Sabine: Die brauche ich sehr.
Jörg: Sei so gut und widersprich mir nicht, und tue für deinen ersten Mann möglichst alles Angenehme. Denn ich könnte es mir mit meiner Unterschrift noch dreimal anders überlegen.
Frau: entzündet die Kerzen
Bist du nun glücklich?
Jörg: Jetzt nur vom Stuhl auf mein eigenes, nunmehr euer Ehebett und das verdiente eheliche Vergnügen bekommen ...
Sabine: Weiter gibt's da nichts für dich!
Jörg: Möchtest du mich nicht in alter Erinnerung zu schätzen wissen?
Sabine: Nein, ganz und gar nicht.
Jörg: Nun, was hast du zu verlieren?
Sabine: Ich habe nichts zu verlieren.
Jörg: Siehst Du.
Sabine: Nein.
Jörg: Ein Mal.
Sabine: Auf keinen Fall.
Jörg: Nun, dann tanz für mich ... einen Bauchtanz.
Sabine: Ich kann nicht so tanzen.
Jörg: Dann versuch es wenigstens einmal!
Sabine: Ich will mich nicht zu schanden machen.
Jörg: Aber es muss sein. Ich lege auch die richtige Musik auf.
Es erklingt östliche Musik. Die Frau tanzt unwillig, aber immerhin tanzt sie. Der zweite Mann betritt die Wohnung.
Martin: Was geht hier vor sich?
Jörg: Und warum bist du nicht auf Arbeit?
Martin: Wir streiken im Depot.
Jörg: Bei euch wird gestreikt, und wir haben es uns derweil gemütlich gemacht, übrigens recht intim ... Alles war ganz nett, bis du aufgetaucht bist ... in meinem Leben.
Sabine: Ich werde dir alles gleich erklären.
Martin: Ja, das wäre angebracht, die Situation hier aufzuklären.
Jörg: Da kam er und machte alles im interessantesten Moment kaputt. Vielleicht gehst Du nochmal ... Du kannst ja noch ein bisschen weiter streiken.
Martin: Liebling, und warum brennen ausgerechnet Kerzen in unserem Zimmer?
Jörg: Was ist schon daran? Wir haben sie entzündet, damit es schön dezent um uns herum ist.
Martin: Und warum bist Du nicht auf Arbeit?
Jörg: Tja, alle Patienten deiner Frau haben mal kurzerhand das Zeitliche gesegnet ... Die haben genau wie du gestreikt!
Martin: Und wer hat meinen Wein getrunken? Und warum tanzt du vor ihm?
Jörg: Hör schon auf mit diesem ewigen Warum und Weshalb! Nun, da hab ich deinen Wein getrunken, die Kerzen angezündet und auf eurem Bett gelegen. Wenn du willst, kannst Du dich auch mal in mein Bett legen. Mir tät's nicht leid!
Martin: Und warum ...?
Jörg: Schon wieder dieses Warum! Das Geld für die Kerzen und den Wein bekommst du. Morgen schon. Vielleicht.
Sabine: Nur unter diesen Bedingungen hat uns mein erster Mann soeben seine Zustimmung für den Wohnungstausch gegeben.
Jörg: Ja, vielleicht werde ich euch meine Zustimmung geben, vielleicht aber auch nicht. So bin ich halt: völlig widersprüchlich.
Martin: Und wegen dieses einen Hakens in dem Dokument bist du bereit, dich so zu erniedrigen?
Jörg: Eh, du Dämel! Nicht „Liebling“ hat sich erniedrigt, sondern es währt jetzt bereits ein Jahr, da ich dich in meiner Wohnung dulde, Herr Chauffeur!
Martin: Ich habe die Schraubenschlüssel mitgebracht, wie versprochen. Du kannst dir einen auswählen!
Jörg: nimmt sich einen
Ich hab ihn schon. Und du?
Martin: Ich brauche keinen. Mit den Händen zu würgen ist mir lieber.
Jörg: Und was ist das Ende vom Lied? Mich bringt man auf den Friedhof, du landest im Gefängnis, und „Liebling“ bleibt in der nun freien Wohnung ...
Sabine: Nun beruhigt euch doch beide, bevor ich euch selbst mit den Schlüsseln malträtiere.
Martin: Verstehst du, nach all dem, was sich meinen Augen hier so eröffnet, kann ich dir nicht mehr so recht vertrauen, Sabine.
Jörg: Niemand hat dich gebeten, zu vertrauen, Streikender. Nun, ich meine, wenn die Müllmänner streiken, dann kann man sie noch verstehen. Sie können im Müll immer noch etwas finden und ihre Familien und Freunde ernähren. So, und jetzt sind also die Fahrer des städtischen Nahverkehrs an der Reihe. So weit sind wir also! Und womit wirst du deine Frau ernähren? Mit Schwarzfahrern oder Schaffnern etwa?
Martin: Wieso mit Schwarzfahrern? Ich kann dir ein Ragout aus dem ersten Mann anbieten, Liebling!
Jörg: Und ich dachte, mit Fensterputzmittel im äußersten Fall.
Martin: Hast du etwa mit ihm geschlafen?
Jörg: Im Gegensatz zu dir schlafen Frauen mit mir nicht, sondern bekommen geradezu ihr verdientes Vergnügen. Und, wohlgemerkt, nicht nur mal dienstags und donnerstags nach den Spätnachrichten, sondern immer.
Martin: Warum erzählst du ihm alles? Wie konntest du nur?
Jörg: Sie hat mir nichts erzählt. Deine Aktionen auf unserem einstmals gemeinsamen Bett mit Sabine kann man nicht anders als die Zuckungen eines Sterbenden verstehen. Nun gut, ich werde euch nicht weiter stören, im engen familiären Kreise zusammen zu sein. Hier ist meine Unterschrift für dich, Sabine. Wenn etwas ist, ich bin in meinem Zimmer.
geht hinaus
Handlung 3
Martin: Man hatte es mir gesagt, aber ich Blödmann konnte es nicht glauben. Nun scheint es so, als müssten wir uns scheiden lassen.
Jörg: (hinter der Tür)
Richtig. Respekt! Sei endlich mal ein Mann, Busfahrer.
Sabine: Ich habe nicht vor, mich zu rechfertigen. Wenn du willst, glaube mir, wenn du es nicht willst, tue es nicht. Mir ist jetzt alles bereits egal.
Martin: Und das ist alles, was du mir zu deiner Verteidigung zu sagen hast?
Jörg: Ich hätte ihr kein Wort geglaubt. Geh! Stolz! Mit den Koffern!
Martin: Allein gehe ich von hier nicht weg.
Jörg: Und mit wem denn?
Martin: Mit dir.
Jörg: Und wofür brauchst du mich? Aha ... um dich an mich ranzumachen!
Martin: Ich lass dich ab jetzt keine Minute mehr allein mit meiner Frau.
Jörg: öffnet die Tür und geht quer durch den Raum
Was sind das schon wieder für Launen! Jetzt kannst du verstehen, dass der Auftritt deines Mannes gestern in meinem Zimmer durchaus nicht zufällig war.
Martin: Wo willst du hin?
Jörg: Wohin sogar der Kaiser zu Fuß hingeht.
Martin: Ich komme mit.
Jörg: Also, ich muss zur Toilette.
Martin: Ich kenne dein Klo.
Jörg: Nein, im Ernst.
Martin: Macht nichts, ich wache an der Tür über dich. Ich werde so beruhigter sein.
Jörg: Das ist mir aber nicht recht. Aber mach mal. Pass ruhig mal auf.
schließt sich in der Toilette ein
Martin: Und trotzdem verstehe ich echt nichts, Sabine. Was ist passiert?
Sabine: Ich verstehe auch nichts.
Jörg: ist aus der Toilette zu vernehmen
Siehst du, sie versteht auch nichts.
Martin: Halt den Mund.
Jörg: Pfui, was für unhöfliche Manieren.
Martin: Meine Liebe ...
Jörg: Wieder seine alten Tricks!
Martin: Ich habe nicht mit dir geredet!
Jörg: Und mit wem dann?
Martin: Mit meiner Frau.
Jörg: Das heißt mit meiner ersten Frau.
Martin: Dies ist meine erste ... und einzige Sabine.
Sabine zerreist die unterschriebene Vollmacht in kleine Stücke
Was machst du da?
Sabine: Ich will sehen, wie du von ihm die Zustimmung zu unserem Tausch bekommst.
Jörg: Deinem zweiten Ehemann gelingt das wohl kaum. Wie man so sagt, keine Chance. kommt aus der Toilette
Ein treuer Wächter bewacht mich nach wie vor vor meiner Ex-Frau. Recht so: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Martin: Morgen gehen wir zum Notar und stellen ordnungsgemäß alle Dokumente aus.
Jörg: Vielleicht gehen wir zuerst zum Standesamt, und dann hinterlasse ich euch stehenden Fußes mein Testament.
Martin: Zum Standesamt werde ich mit dir nicht gehen.
Jörg: Und ich gehe mit dir nicht zum Notar.
Martin: Da gehst du ganz artig mit.
Jörg: Sieh dir diesen aufgeblasenen Vogel an, der dich um das Wichtigste im Leben bringen will, nämlich deine weitere weibliche Perspektive. Ich verstehe es so, dass, wenn du zum ersten Mal einen Mann hast, und dann plötzlich, wie aus dem Nichts ein zweiter erscheint, so kommt wahrscheinlich auch noch ein Dritter. Und, siehst du, dann ...
Sabine: Ihr habt mich beide zum Wahnsinn getrieben: sowohl der erste, als auch der zweite und der dritte, der nicht existiert. Ich habe erst jetzt gemerkt, was mir wirklich die ganze Zeit gefehlt hat. Das Wichtigste im Leben jeder Frau.
Jörg: Nun, natürlich, ich!
Martin: Nein, ich.
Jörg: Schau du wenigstens mal in den Spiegel, Du Busfahrer.
Sabine: Ich brauche ein Kind. Und zwar schnell!
Jörg: Wie weise. Endlich! Ich biete unbescheiden meine Dienste an. Und nicht besonders teuer...
Martin: Er macht's günstig. Und ich gleich kostenlos.
Jörg: Wenn skrupellose Konkurrenten am Markt ihre Dumpingpreise anbieten, so bleibt mir nichts anderes übrig, als noch etwas zu berappen.
Martin: Und ich bring nicht nur Geld, sondern auch noch ein Geschenk mit.
Jörg: Was für ein Geschenk noch? Einen Bus etwa?
Martin: Das geht dich nichts an. Vielleicht sogar ein Bus voll mit Schwarzfahrern. So einen kann dir der Herr Schriftsteller nicht bringen, Sabine.
Jörg: Ich bin für einen Jungen ...
Martin: Und ich für ein Mädchen ...
Jörg: Und ich für Zwillinge ...
Martin: Und ich sogar für Drillinge ...
Sabine: Ich brauche nichts von euch: keine Geschenke, kein Geld und keine Dienstleistungen.
Jörg: Liebling, in dieser Sache kommst du ohne Mann nicht umhin. Allein bist du da machtlos. Aber Kinder von mir ...
Martin: Nein, von mir.
Jörg: Und was werden sie? Kraftfahrer!
Martin: Nun, auf alle Fälle keine „Meister des künstlerischen Ausdrucks“ ...
Jörg: Das ist es eben. Stell dir vor, Sabine, welche Perspektive sie erwartet! Ich spreche noch nicht einmal von den Genen der Raserei. Dies ist doch eine ständige Einschränkung in der geistigen Entwicklung. Also ist dein erster Mann genau das, was du wirklich brauchst.
Martin: Von jetzt an wirst du immer zu Fuß gehen. Ich sorge dafür, dass dich kein Busfahrer mehr mitnimmt.
Jörg: Bist du Gewerkschaftssprecher, dass du jetzt für alle Fahrer sprichst?
Martin: Ja, mich erwartet eine glänzende Karriere.
Jörg: Größenwahn wartet auf dich. Geh lieber nochmal die Verkehrsregeln wiederholen, sonst vergisst du am Ende noch, dass du bei Rot halten musst.
Sabine: Es reicht. Beruhigt euch. Denn ihr Männer seid fürs Kinderkriegen ganz und gar nicht geeignet: weder der erste noch der zweite noch der virtuelle Dritte. Ich werde ein Kind ... von einem Liebhaber kriegen.
Jörg: Schau mal an! Eine überraschende Wendung.
Martin: Ich glaube, ich habe mich verhört, Liebste.
Sabine: Nein, du hast richtig gehört. Und vor allem: Ich will viele Kinder.
Jörg: Wenn ich dich richtig verstanden habe, so bedeuten viele Kinder auch eine große Zahl von Liebhabern.
Sabine: freudig erregt
Vielleicht sogar noch mehr.
Martin: zählt mit den Fingern
Das heißt also, dass ein Kind von einem Liebhaber ist, zwei Kinder von zwei Liebhabern, drei Kinder von dreien dieser Art ...
Jörg: In der Tat kann man da bis unendlich zählen.
Martin: Nichts fur ungut.
Jörg: fröhlich
Da kann ich dir am besten helfen, Sabine. Weil der beste Liebhaber in allen Zeiten und Völkern der erste Mann, sprich hier dein Ex-Mann, ist.
Martin: Und ich?
Jörg: Und du bist ein echter Mann. Werde also glücklich mit deinen schnell wachsenden Hörnern!
Sabine: Ich habe klar gesagt, dass mich keiner von Euch vor der Geburt meiner Kinder auch nur mit dem Finger anrührt.
Jörg: Bravo, was für eine Allegorie!
Martin: Also, das kann man ja auch ohne Finger.
Jörg: Ziemlich ungeschickt, so einfach seine Ansprüche auf die Vaterschaft anzumelden.
Sabine: Es ist entschieden. Ja, nur von Liebhabern. Ab jetzt nur noch von ihnen.
Jörg: Was meinst du eigentlich zum Thema Liebhaber deiner Frau?
Martin: Ich habe etwas dagegen.
Jörg: Was ist das für eine Antwort? Ich bin kategorisch dagegen!
Martin: Und warum kategorisch?
Jörg: Nun, frage dich selbst: Deine Frau macht mit ihrem Liebhaber ein Kind in eurem Bett. Und derweil regnet es draußen auf der Straße, wo gehst du dann hin?
Martin: Zu dir.
Jörg: Nun, das befürchte ich. Aber ich kann dich ja nicht auf der Straße stehen lassen, so mitten im Regen.
Martin: Dann bin ich auch kategorisch dagegen.
Sabine: Ich hatte euch nicht gefragt.
Jörg: Ich möchte dir, Sabine, in meinem und dem Namen deines Mannes und nunmehrigen Hörnerträgers erklären, dass wir keine fremden Männer in unserer Wohnung dulden werden.
Martin: unterstützt unterwürfig im Brustton der Überzeugung
Wir sind kategorisch dagegen.
Jörg: Du fängst an, mir mehr und mehr zu gefallen, Kraftfahrer.
Martin: Du mir auch, du Meister des künstlerischen Ausdrucks. Ein Schriftsteller. Was für eine Ehre für mich!
Jörg: Na ja, eine nicht immer sofort erkannte. Aber ganz egal, trotzdem danke.
Sabine: Mir ist aber nicht alles egal. Ich möchte Kinder ... und ich werde sie haben.
Jörg: Vielleicht erlauben wir deiner Frau einen Liebhaber?
Martin: Wie das? Wir sind doch kategorisch dagegen!
Jörg: Du Tölpel. Wenn wir ihr diesen Geliebten nicht gestatten, so schafft sie sich früher oder später ein ganzes Dutzend an.
Sabine: Ich möchte Kinder. Mindestens zwei ...
Jörg: atmet erleichtert auf
Das heißt, es werden der Liebhaber nur zwei sein. Damit bin ich einverstanden.
Martin: Und ich ... stimme kategorisch zu. Nur lass uns nicht allein.
Jörg: Sei nicht so aufgeregt, mit Kindern läuft sie schließlich nicht so schnell davon.
Martin: Bitte lass uns nicht allein.
Jörg: Stöhn nicht so rum. Aber grundsätzlich hast du Recht. Denn wie sollen wir ohne unsere Kinder und dich leben, Sabine.
Martin: berührt seine Brust
Und ich sollte mir überhaupt keine Sorgen machen, damit mir die Muttermilch nicht plötzlich ausgeht.
Jörg: Und bei mir beginnt schon die Mastitis. Was für Liebhaber brauchst du denn noch? Warum willst du noch fremd gehen, wenn dir an deiner Seite, unter der Hand sozusagen, solche Männer verlorengehen.
Martin: verliebt
Meine zweite und einzige Sabine!
Jörg: Hallo, sie ist meine erste, ganz nebenbei. Also bitte ich, mich mit einem Kind zu beschenken. Mir scheint, ich bin jetzt total durcheinander.
Sabine: Es wird Zeit für Liebhaber. Jetzt nur mit ihnen.
Ehemänner: Oh, Sabine, Sabine. Vielleicht überlegst Du es Dir noch einmal? Ach ...
Vorhang fällt
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