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Bühnenstücke

Bühnenstück "Abenteuer eines Nachtportiers"

Genre: Komödie

 

Handelnde Personen:
1. Stefan Neumann, Nachtportier
2. Georg Donner, Hoteldirektor
3. Falk Eisner, Hotelgast von Zimmer 339
4. Luise Eisner, seine Frau
5. französische Sängerin von Zimmer 310
6. Isabella Meise, Gast von Zimmer 333

 

1. Akt

1. Bild


Portier
(hechelt): Was ist passiert, Herr Direktor? Wen suchen Sie denn? Sie sind ja        ganz aus der Puste!
Direktor: Und Du fragst noch, was da passiert ist! Schurke! Parasit!
Portier: Was, sind wieder neue Gäste angekommen? Also wieder mal Schurken und Parasiten. Habe ich mir doch so gedacht!

Direktor: Wo warst Du, Stefan?
Portier: Wann?
Direktor: Tu nicht so blöd.
Portier: Ich tu nicht blöd.

Direktor: Wie spät ist es jetzt?
Portier: Ich habe keine Ahnung.
Direktor: Und trotzdem ...
Portier: Ist das denn jetzt so wichtig?

Direktor: Das ist eine Frage … auf mein Leben oder Deinen Tod, Stefan. Also, sei so gut und sage mir die genaue Zeit.
Portier
(wackelt mit dem Zeigefinger vor der Nase des Direktors): Sie sind immer so. Nutzen einfach so meine Zuneigung zu Ihnen aus. Bevor ich Ihnen die genaue Zeit sage, sollten Sie zuerst mal auf meine Frage antworten.
Direktor: Gut. Ich antworte Dir auf Deine … allerletzte Frage.
Portier: In welcher Zeitzone befinden wir uns jetzt?
Direktor: Willst Du Dich wieder lustig machen über mich?
Portier: Ich? Über Sie? Nie im Leben! Ich bin einfach nur sehr wissbegierig.
Direktor: Und so wiederhole ich meine Frage als Vorgesetzter von besonders Wissbegierigen: "Wie spät ist es?“
Portier: Ja, welche Zeit hätten Sie denn gern, Herr Direktor? Sagen Sie’s! Und das ohne Vorbehalte! Wir sind schließlich unter uns.
Direktor: Du Halunke. Müßiggänger. Loser!
Portier
(hebt die Hände): Immerhin haben uns in letzter Zeit mehr Gäste als üblich besucht. Gott bewahre. Nicht allein, dass es Schurken und Parasiten sind, jetzt muss auch noch für diese die Bettwäsche gewechselt, das Frühstück bereitet und ein Liebediener gemacht werden. Wo soll das noch hinführen?
Direktor: Jaaa … Du gehst jetzt aber ziemlich weit.
Portier: Reden Sie jetzt etwa von meiner Karriere?
Direktor: Genau.

Portier: Gut, dass Sie darauf zu sprechen kommen, Herr Direktor. Mein reines Gewissen und mein angeborenes Taktgefühl haben es mir schließlich nicht erlaubt, Sie von sich aus um einen höheren Posten zu bitten. Aber wenn Sie darauf bestehen, so kann und will ich Ihnen Ihr edles Ansinnen nicht abschlagen. Also, ich bin bereit, den höchsten Posten in unserem Hotel für das üppigste Gehalt zu übernehmen. Auf der Stelle! Endlich wissen Sie meinen beispiellosen Arbeitseifer zu schätzen. Ich bin so froh ... für Sie (bemerkt den unzufriedenen Gesichtsausdruck seines Gegenübers)... für uns ... für mich.
Direktor: Ich wollte Dir schon lange etwas sagen, Stefan. Habe mich aber nicht durchringen können. Denn nicht jedem kann man lediglich drei Worte sagen und er versteht dann sofort und richtig.
Portier: Drei Worte? Wie interessant! Ich bin ganz Ohr!
Direktor: Du bist … gefeuert!
(Pause)
Portier: Das ist alles, was Sie mir nach drei Monaten tadelloser Arbeit sagen?
Direktor: Glaube mir, das waren noch die diplomatischsten Worte, die ich für Dich finden konnte. Gott behüte, bevor ich anders fortfahre ...
Portier: Und weswegen bin ich eigentlich gefeuert?
Direktor: Ist das jetzt so wichtig, Stefan?
Portier: Aber ich ...
Direktor: ... ich kann Dir locker zehn Gründe bringen, warum ich nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht habe, Dich zu entlassen.
Portier: Bitte etwas konkreter!
Direktor: Geh einfach davon aus, dass die Chemie zwischen uns nicht gestimmt hat.
Portier: So ein Argument können Sie bei einer Scheidung anführen, aber nicht im Arbeitsleben.
Direktor: Was bist Du so verwundert? Anfänglich waren wir eine freundliche und starke Familie. Beim Kennen lernen. Aber jetzt sind es schon drei Monate, dass unsere Ehe aus dem Leim geht. Deshalb sollten wir jetzt besser auseinander gehen.
Portier: Und was habe ich falsch gemacht? Liebste! ...
Direktor
(sarkastisch): Und auch die Liebste hilft Dir da nicht, mein lieber Nachtportier.
Portier: Aber vielleicht ist es ja doch noch möglich, unsere glückliche Ehe zu retten!
Direktor: Du bist eine ganze Stunde zu spät zur Arbeit gekommen…
Portier
(seufzt erleichtert auf): Also, das war es! Und ich habe wunder’s Gott was gedacht. Wegen einer Stunde meiner Abwesenheit von der Arbeit! Nun, das ist doch einfach lächerlich!
Direktor: Und wie lustig!
Portier: Unvorstellbar. Einfach zu komisch.
Direktor: Komm, Stefan, reden wir einfach mal von Mensch zu Mensch.
Portier: Lassen Sie es uns versuchen. Vielleicht werde ich ja nicht enttäuscht.
Direktor: Ich bemühe mich. Also, was würdest Du an meiner Stelle tun, wenn Dein Untergebener immer zu spät zur Arbeit kommt?
Portier: Ich würde erst einmal herausfinden, was der Grund für die Verspätung ist, und erst dann meinen so wertvollen Mitarbeiter entlassen.
Direktor
(schaut auf die Uhr): Also, warum bist Du heute wieder zu spät?
Portier: Ehrlich?
Direktor: Aber wiederhole Dich nicht und erzähle, dass Du die Welt gerettet hast, während sie es gar nicht verlangt hat. Sie scheut bereits Deine aufdringlichen Dienste, und trotzdem machst Du Dich immer noch heran. Erkläre das mal einem normalen Menschen!
Portier: Und wer von uns ist nicht normal, Sie oder ich?
Direktor
(warnend): Stefan ...
Portier: Verstanden! Ich bin doch kein Blödel. Nur ein Blödmann
würde es nicht verstehen.
Direktor: Ich verspreche Dir, dass ich versuche, Dich zu verstehen, so schwierig das auch sein mag.
Portier: Nun, wenn Sie so wollen.
Direktor: Ich möchte wohl.
Portier: Wen? Mich?
Direktor: Ich möchte Dich sehr ... verstehen. Nur denk Dir diesmal etwas Originelleres aus.

Portier: Niemals denke ich mir irgendetwas einfach so aus, Herr Direktor! Nur kann man nicht alles, was mit mir passiert, einfach so erklären. Dies ist eine so schreckliche Wirklichkeit, die nur mich verfolgt, und das genau in dem Moment, da ich es eilig habe zur Arbeit. Sind Sie bereit für meine Geschichte?
Direktor: Wenn uns kein Arbeitsverhältnis mehr verbindet, bin ich gern bereit, mir Deine Romane anzuhören.
Portier: Und wenn es gruselig wird?
Direktor
(stützt den einen Arm mit dem Ellbogen auf den Empfangstresen): Macht nichts, ich bin mutig.
Portier: Vorsicht, ich habe Sie gewarnt!
(Pause) Ich gehe also zu meiner Nachtschicht, beeile mich, renne mit letzter Kraft los sozusagen. Meine Beine fühle ich nicht mehr, weil ich verstehe, dass ich Sie nicht immer versetzen kann, Herr Direktor. Diesen Menschen mit dem großen "D" im Namen, der mein Gehalt erst im Laufe der letzten Woche bereits zweimal gekürzt hat. Gott kann es vielleicht verzeihen, denke ich, nur nicht Herr Donner. Und da ...

Direktor: Was, „und da“? ...
Portier: Wie ich so höre, läuft mir jemand hinterher und bittet mich ergreifend um etwas. Nun, ich ...
Direktor: Was, „ich“? …
Portier: Ich halte ein, schaue auf die Uhr und denke mir so: "Heilige Mutter, ich habe aber auch gar keine Zeit, zurückzublicken." Und renne weiter zur Arbeit.
Ich habe die Tür unseres Hotels schon erreicht, als ich wieder eine fremde Stimme
hinter meinem Rücken höre. Ich kann mich nicht weiter tot stellen, drehe mich um und sehe ... eine alte Frau.

Direktor: Das kann nicht sein! Ich dachte mir so, dass Dir wieder mal eine Schönheit untergekommen ist, bei der einem das Herz stehen bleibt, und Du wärest gezwungen gewesen, bei ihr zwei Stunden Mund-zu-Mund-Beatmung durchzuführen.
Portier: Was reden Sie da? Warum sollte ich Ihnen zweimal die gleiche Geschichte verkaufen? Nichts dergleichen war da.
Direktor: Und was wollte diese alte agile Dame von Dir?
Portier: Ob Sie es glauben oder nicht, sie hat mich eine dreiviertel Stunde mit der Bitte verfolgt, dass ich sie über die Straße führe. An der Hand!
Direktor: Nun, ich hätte sie fix rübergebracht. Eine Minute und fertig die Sache.
Portier: So tat ich es und brachte sie rüber. Entlang der Straße.

Direktor: Warum bist Du dann zu spät?
Portier: Sehen Sie, Herr Direktor, die Sache bestand darin, dass die alte Dame eben von
der Stelle über die Straße zu bringen war, wo ich ihre Hilferufe zum ersten Mal hörte. Und das war, wie Sie verstehen, am anderen Ende der Stadt!
Direktor: Und Du willst, dass ich solch einen Unfug glauben soll?
Portier: Hatte ich es mir doch so gedacht. Ich sagte Ihnen ja, dass ein Dummkopf nichts verstehen würde.
Direktor: Wie gut, dass ich Dich schon gefeuert habe! Wäre dem nicht so, müsste ich mich nach dieser Geschichte erst recht von Dir verabschieden.
Portier: Und mit welchem Wortlaut diesmal?
Direktor: Wegen ewiger Narretei und des innigen Wunsches, seinen Chef als Vollidioten hinzustellen! Und obendrein unser Hotel als Irrenhaus!
Portier: Ich verstehe nicht: Auf was spielen Sie jetzt an?
Direktor
(streng): Stell’ Dich hier nicht als Unschuldslamm dar. Denn eben Du hast doch dieser Musikgruppe in der letzten Schicht erlaubt, im Foyer bis in die Morgenstunden zu feiern!
Portier: Das stimmt nicht. Warum wollen Sie mich verleumden? Nichts dergleichen habe ich erlaubt. Die Musiker haben sich selbst ... zu viel erlaubt.
Direktor: Du konntest es ihnen also nicht zu verstehen geben und solche Worte finden, die diese nächtliche Orgie beenden könnten.
Portier: Wem etwas zu verstehen geben? Diesen selbsternannten Unterhaltern? Die waren doch voll bis obenhin!
Direktor: Warum bist Du nicht eingeschritten, als sie sich nackt ausgezogen haben und sich auf unserer großen Treppe als antike Skulpturen aufstellen mussten?
Portier: Wer ist nicht eingeschritten? Ich? Ja, ich wäre fast dabei gewesen bei dieser Ausstellung! Aber da habe ich an Sie gedacht, Herr Direktor. Und nahm mir vor, meine Vorzüge für bessere Zeiten aufzuheben. Hätten Sie gesehen, wie ich die Musiker auf Knien bat, sich wenigstens mit irgendetwas zu verhüllen. Nichts zu machen mit diesen Kreaturen! Ich gab ihnen vorsichtshalber noch Blätter von
unserem Fikus, als Feigenblättern sozusagen. Aber auch das half nicht. Erst gegen Morgen erinnerten sich diese Deppen daran, dass sie Musiker sind und hingen sich ihre professionellen Instrumente um.
Direktor: Und was dann?
Portier: Natürlich hatte der Keyboarder das meiste Glück. Und am meisten litt wie immer
der Schlagzeuger.
Direktor: Warum er?
Portier: Haben Sie den nackten Körper des Schlagzeugers gesehen? Das ist es eben, dass sie ihn nicht gesehen haben! Wie kann man denn einen solchen Leib hinter einem Trommelstock verstecken? Selbst hinter
zwei Stöcken kann man ihn auch nicht verstecken. Ich habe mir das überlegt, ... freilich ohne Zeichnung, dass sechs Kubikmeter Trommelstöcke genau das edle Minimum sind, das den Charme von einem Schlagzeuger maximal verbergen könne. Aber noch besser wäre es, zwanzig Prozent für alle Fälle draufzugeben.
Direktor: Wofür?
Portier: Schlagzeuger sitzen während des Auftritts, aber
wenn unserer noch aufsteht? Dann ist die Sünde nicht aufzuhalten.
Direktor: Durch Deine Schuld haben wir Dutzende von Gästen verloren.
Portier
(spricht zur Seite): Dutzende von Gästen verloren! Ich habe beinahe meinen Verstand verloren!
Direktor: Was? Ich glaube, nicht richtig gehört zu haben.

Portier: Jawohl, nicht ganz richtig, Herr Direktor. Von diesem Dutzend gelang es mir trotzdem, drei Gäste zu halten und ihnen zu erklären, dass alles, was sie im Foyer des Hotels gesehen haben, nur abstrakt war. Eine Galerie, die die besten Museen der Welt gerne hätten! Ich hätte gern mehr Gäste auf den Pfad der Wahrheit geführt, aber wie zu allem Unglück ist der Sänger aus seinem Koma erwacht und begann, mit dem „Mikrofon“ nach rechts und links zu wippen. Hier schloss selbst ich meine Augen, denn dies zu sehen, ging doch über meine Kräfte.
Direktor: Siehst Du, einzig Verluste durch Dich!
Portier: Was für Verluste? Diese Truppe hat alles ausgesoffen, was in unserem Kühlschrank beim Buffet war.
Direktor: Und der Champagner?
Portier: Ist zuerst weggegangen. Danach der Wodka, dann ging das Bier zu Ende, und dann verschwand auch ...
Direktor: Was?
Portier: ... der Kühlschrank selbst.
Direktor: Wie - der Kühlschrank? Du bist doch nicht bei Troste!
Portier: Seien Sie unbesorgt, Herr Direktor! Der Kühlschrank hatte sich alsbald angefunden.
Direktor: Wo?
Portier: Oh, fragen Sie mich nicht, sonst sind Sie wieder unzufrieden mit mir.
Direktor: Sag trotzdem: wo!
Portier: ... auf dem Hoteldach. Die Musiker haben ihn da sogar ohne Aufzug hochbekommen. Mystisch geradezu. Denn sie standen nicht mehr auf den Beinen. Und weiß der Teufel, ich frage mich, was sie in ihrem Zustand noch Mädchen brauchten, das verstehe ich wohl nie.
Direktor: Ah, da waren auch Mädchen?
Portier: Nun, das war wohl so eine Sache: der eine sagt, dass da welche waren, und der andere schwört, er habe keine gesehen. Es gibt verschiedene Versionen von dem, was passiert ist, aber da war keiner nüchtern, der seine Worte auch hätte bestätigen können.
Direktor: Das heißt also, dass auch Du total betrunken warst!
Portier: Ich trinke überhaupt nicht. Und erst recht nicht bei der Arbeit. Ja, man hat mir einen eingegossen. Aber ich habe überhaupt nichts … gemischt!
Direktor: Also, waren da Mädchen oder nicht?

Portier: Wer weiß das schon, Herr Direktor! Vielleicht waren da auch welche. Ich kann das Gegenteil nicht behaupten. Aber dass keine Männer neben den Mädchen waren, kann ich zu hundert Prozent garantieren. Nicht einer. Bildlich gesprochen. Aber ich würde es gern sehen, wenn auch Sie über dieses Geheimnis wie ein Grab schweigen.
Direktor: Wenn auch nur ein einziges Wort von dem, was Du mir jetzt gesagt hast, an die Presse durchsickert, so stirbst Du nicht eines bildlichen, sondern eines wirklichen Todes! Keines schmerzlosen Todes, Stefan, sondern eines langen und schmerzhaften. Mein Gott, was ist durch Dich aus unserem 4-Sterne-Hotel geworden ...
Portier: Noch eine kleine Korrektur, Herr Direktor. Letzte Nacht haben alle … Glieder der Musikgruppe im Eifer der Orgie ... das heißt der organisierten Ekstase, einstimmig beschlossen, unserem Haus noch einen Stern zu vergeben. Was wir … sie … dann auch gemacht haben.

Direktor: Und wie sollen sie das gemacht haben, bitteschön?
Portier: Na, ganz einfach. Haben mit Kreide noch einen Stern auf die Kupferplatte dazugemalt. Ja, mit Kreide.
Direktor: Dein Glück, dass es nur Kreide war.
Portier: Schade, dass sie leider keine Farbe gefunden hatten.
Direktor: Schade?!!! Da bin ich mit Dir eins, Stefan. Schade,
dass ich Dich nicht schon gestern abgemurkst habe, denn das Leid, das Du mir heute bringst, ist einfach nicht zum Aushalten! Wenn ich Dich schon sehe, Nachtportier, da fällt mir nur eins ein ... ein Nachttopf.
Portier: Wie?
Direktor: Ja, Stefan, Du bist ein Nachttopf.
Portier: Vielleicht doch eine Vase?
Direktor: Nein, ein Topf. Zudem ohne Henkel und voll bis obenhin!
Portier: Schändlich, so etwas über sich zu hören. Unerträglich! Obwohl Sie nur in das Gästebuch zu schauen bräuchten, um zu verstehen, wie ungerecht Sie mit mir sind. Hier, lesen Sie nur, was meine Musiker für mich komponiert haben! Da blutet einem das Herz.
Direktor: Du hast diesen Dödels auch noch das Gästebuch gegeben?
Portier: Wie hätte ich es ihnen nicht geben sollen? Sie waren fünf, ich allein.
Direktor: In deren Hände?
Portier: Jedenfalls nicht in den Mund. Obwohl das nicht geschadet hätte. Wie waren sie berührt, als ich sie zu ehrenhaften Alkoholikern in unserem geschätzten Hotel ernannte!
Direktor
(legt die Hand aufs Herz): Habe ich mich da nicht etwa verhört?
Portier: Nein, Sie haben richtig gehört, Herr Direktor. Ich habe mich bloß versprochen. Natürlich, zu Ehrengästen. Wie sie mich umarmt haben! Wie sie mich küssten! Hätten Sie das nur mit eigenen Augen gesehen, so hätten Sie erkannt, dass Sie mich fälschlich gefeuert haben ... und das gleich zweimal.
Direktor: Dich sollte man nicht bloß entlassen, sondern auch gleich vierteilen.
Portier: Man hat mich auf Händen getragen! Und sogar eine Platinschallplatte hat man mir versprochen.
Direktor (nimmt das Gästebuch zur Hand und liest vor): Bei unserer nächsten Tour übernachten wir unbedingt in Ihrem Hotel. Wir nehmen alle Zimmer und alle Mädchen in ihrer Stadt. Und den Nachtportier obendrein. Weil das unser Mann ist. (wendet sich an den Portier) Und das siehst Du als normal an?
Portier: Was gefällt Ihnen da nicht, Herr Direktor? Weil man sicherlich auch zu Ihnen ein paar nette Worte hätte schreiben sollen! Ich wollte es, aber die Musiker waren dagegen. Wollten einfach nicht. Ich weiß auch nicht, warum Sie ihnen nicht aufgefallen sind.
Direktor: Ob Du es glaubst oder nicht, ich zerbreche mir selbst den Kopf darüber. Vielleicht, weil ich nicht weiß, wie man mit allen gleichzeitig auf Brüderschaft trinken kann.
Portier: Was wissen Sie schon von Brüderschaft?
Direktor: Ich weiß alles, Stefan. Und halte Dich nicht mehr auf.
Portier: Ihr Wille geschehe, Herr Direktor
(geht zur Tür).
Direktor: Leb wohl!
Portier: Auf Wiedersehen!
(tritt an der Tür auf der Stelle)
Direktor: Glaubst Du jetzt an das Leben nach dem Tod?
Portier: Ich glaube an die Rechtsprechung, die nicht gleichgültig bleiben im Falle meiner Klage beim Arbeitsgericht.
Direktor: Du willst mir also drohen?
Portier: Auf bald vorm Richter!
Direktor: Warte. Wo willst Du hin, Stefan?
Portier: Nach Hause. Ich werde mir überlegen müssen, auf welchen Schaden solch eine doppelte Kündigung Ihrerseits hinausläuft.
Direktor: Und wer soll für Dich arbeiten?

Portier: Ich bin doch entlassen!
Direktor: Ich werde Dich morgen entlassen, aber heute machst Du Deinen Job noch ein letztes Mal.
Portier: Nun, wenn Sie mich fein bitten!
Direktor: Tu mir diesen Gefallen. Zum allerletzten Mal!
Portier: Warum nicht, wenn ich schon einmal hier bin!
Direktor: Abgemacht. Den letzten Lohn bekommst Du morgen.
Portier: Nein, so geht das aber nicht! Morgen stellt sich dann noch heraus, dass ich Ihnen etwas schuldig bin. Ich gehe!
Direktor: Halt, Du Erpresser!
(der Direktor zahlt aus seiner eigenen Tasche) Hier, das ist für heute, und dass ich Dich dann hier nie mehr sehe.
Portier: Sie werden mich auch nicht sehen. Nur in einem Albtraum. In einem ständigen!

Stefan geht hinter den Empfangstresen und widmet sich seinen Aufgaben. Der Nachtportier liest, legt weg, schreibt auf, streicht durch, zerreißt einige Papiere.
Er schiebt den Direktor vor sich her und nimmt sein Terrain ein.

Direktor: Und bitte, Stefan, nichts verändern.
Portier: Was meinen Sie damit?
Direktor: Diese Liste heißt Anreiseliste. Einfach „Anreisen“ und nicht „Abgang in die Unterwelt“, wie du es nennst.

Portier: Aber ...
Direktor: Kein „aber“! Ich bitte Dich sehr. Und möge Deine letzte Schicht ohne Zwischenfälle vorübergehen.
Portier: Es ist doch nicht meine Schuld, wenn ausgerechnet in meiner Schicht alle
verrückten Gäste zu uns kommen. Dafür gibt es doch Irrenhäuser! Letzten Endes ...
Direktor: Du denkst, es ist nur Zufall, dass ausgerechnet Dir solcher Art Gäste unterkommen?
Portier: Natürlich nicht. Ich wäre ein Narr, solches zu behaupten!
Direktor: Gott sei Dank, dass Du Dir bewusst bist, dass unsere Gäste gar nichts dafür können. Vielleicht ist ja doch an allem nur der Nachtportier schuld?
Portier: Er ist unbescholten wie ein Lamm. Ein weißes!
Direktor: Und wer sonst?
Portier
(blickt mit schielenden Augen): Können Sie es nicht erraten?
Direktor
(beleidigt): Du bist mir ein Lamm! Ein brünettes!
Portier: Ich sage Ihnen doch, dass an alledem Intrigen schuld sind, die schlechte Leute verbreiten! Und danach streben, das Lamm zu verschlingen.
Direktor: Und kannst Du das beweisen?
Portier: Nichts leichter als das! Hier in der Ankunftsliste in die Unterwelt steht, dass in unser Hotel um zwanzig Uhr Frau Eisner angekommen ist und das Zimmer 336 bekam. Die Suite.
Direktor: Na und?
Portier: Und hier der nächste Eintrag, in dem sie wieder erscheint, allerdings mit einer anderen Zeit, nämlich halb neun, und dieses Mal fiel ihre Wahl auf das Einzelzimmer 339. Ein offensichtliches Missverständnis, um nicht zu sagen ein vorsätzlicher Fehler, der unvorhersehbare Folgen für mich mit sich bringen kann.
Direktor: Was für unvorhersehbare Folgen?
Portier: Eine schlaflose Nacht!
Direktor: Auf Arbeit muss man arbeiten und nicht schlafen.

Portier: Gerade auf Arbeit muss man sich erholen, um den Druck der Arbeit nicht zu spüren. Und seine Arbeit als Hobby ansehen.
Direktor
(sieht sich die Ankunftsliste an): So, wo ist Dein fataler Fehler?
Portier: Hier, sehen Sie selbst.
(Pause)
Direktor: Ach, ich hätte es beinahe vergessen, Dich zu warnen, damit du alles richtig verstehst. Hier liegt kein Fehler vor.
Portier: Nein? Also doch Intrigen, von denen ich Ihnen bereits erzählt hatte! Man will mich also wieder schlecht machen in Ihren Augen.
Direktor: Das ist eine heikle Situation ... Wenn ich jetzt nicht in einer solch verzweifelten Situation wäre, um nichts in der Welt würde ich Dich in dieses Familiendrama einweihen.
Portier: Was ich nicht weiß, macht mich für gewöhnlich nicht heiß. - Doch was ist denn passiert, Herr Direktor?
Direktor: Herr Eisner hat mir alles im privaten Gespräch erklärt. Schau mal, Frau Eisner, die um 20 Uhr angekommen ist, ist nicht seine Frau, sondern seine Geliebte, mit der er ursprünglich vor hatte, das Wochenende in unserem Hotel zu verbringen. Doch in diese Pläne hat sich unerwartet seine Ehegattin eingemischt.
Portier: Immer stören diese verflixten Ehefrauen! Einmal nicht aufgepasst, und schon
bekommst Du eine auf die Birne. Zack!
Direktor: Nun, wenigstens in dem Punkt sind wir uns einig.
(Pause) Selbst am Wochenende wird der arme Mann nicht allein gelassen.
Portier: Der Arme! Ich kann ihn gut verstehen.
Direktor: Ihn nur zu verstehen, hilft wenig. Er braucht Hilfe!
Portier: Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Direktor! Ich werde alle meine Fantasie und Erfahrung einsetzen.
Direktor: Hier bedarf es keiner Fantasie. Und Deine Erfahrung behalte lieber für Dich.
Portier
(liest die Ankunftsliste aufmerksamer): Das kann nicht sein!
Direktor: Was noch?
Portier: Nicht nur, dass wir zwei Eisners im Haus haben, sie heißen auch noch gleich.
Direktor: Ich kann Dir noch mehr sagen, Stefan, nämlich, dass sich diese beiden Frauen einander ähneln wie Schwestern.
Portier: Tatsächlich?
Direktor: Die reine Wahrheit.
Portier: Ja, und warum braucht Herr Eisner zwei ähnliche Frauen? Ich verstehe es so, wenn du schon eine Blondine mit kleinen Brüsten geheiratet hast, so sollte die Geliebte eher ein Pendant sein, in diesem Falle vielleicht eine vollbusige Brünette. Der Reiz liegt doch im Gegensatz!
(Pause) Wie werde ich diese beiden bloß auseinander halten?
Direktor: Nach zwei Kriterien: der Ankunftszeit und dem Zimmer, wo die jeweilige Eisner nächtigt.
Portier: Sehr intelligent angestellt, Herr Direktor! Wie in einer Denkfabrik. Sie würden als Spion taugen. Die Geliebte ist also im Zimmer 336, der Suite, die Eheleute aber sind im Zimmer 339, einem Einzelzimmer. Ist es ihnen da nicht etwas beengt in ein und demselben Bett?
Direktor: Herr Eisner hat das Zimmer speziell für seine Frau gemietet, damit es ihr so bald wie möglich unbehaglich wird. So checken sie umso eher wieder aus.
Portier: Und wir haben weniger Umsatz!
Direktor: Nicht alles im Leben lässt sich in Geld bemessen. Es gibt Fälle, in denen es notwendig ist, seinen treuen Gästen zu helfen, umso mehr einem Mann.
Portier: Natürlich helfen wir, wo wir können. Heute helfen wir ihm, und morgen hilft er vielleicht noch unseren Frauen   ...

Direktor: Hüte Deine Zunge.
Portier: Nein, auf Erden wird Gutes nicht toleriert.
(schaut wieder auf die Ankunftsliste) Ich sehe hier, dass eine Neue abgestiegen ist. 26 Jahre. Ohne feste Arbeit. Wer ist das?
Direktor: Das ist eine geheimnisvolle und rätselhafte Person. Stolz und unnahbar!
Portier: Also schreiben wir in der Rubrik Familienstand "unwürdig".

Direktor: Spricht in Versen und zollt Männern keinerlei Aufmerksamkeit.
Portier
(liest weiter ihre Angaben): Es scheint so, dass sie eben erst aufgetaucht ist und sie auch gleich beleidigt hat, Herr Direktor. Nicht einmal ihre Adresse hat sie hinterlassen! Und so vermerken wir "ohne festen Wohnsitz". Auch das Geschlecht ist nicht verzeichnet! Und so schreiben wir kurzerhand mal „neutral“. (Pause) Und wie steht es mit den weiblichen Reizen?

Der Direktor deutet mit den Armen üppige weibliche Formen an.

Portier: Und so schreiben wir in der Anmerkung: "Fiel durch ihr Fehlverhalten unangenehm auf. Provozierte!"
Direktor: Vielleicht haust Du nicht gleich so in die Vollen, Stefan!
Portier: Wie Sie meinen! Wenn nicht, dann eben nicht. O ... noch ein Unglücklicher in unserem Irrenhaus! Zimmer 311. Eine Person männlichen Geschlechts. Ein Sportler. Fünfundzwanzig Jahre. Ein Champion! Ach, ein Weltmeister im B…asketball. Basketball - ist es das, was ich denke oder eher vermute? - Was zum Teufel hat ihn hierher geführt?
Direktor
(seufzt schwer): Es ist kein Flugwetter. Deswegen ist der Sportler für eine Nacht bei uns abgestiegen.
Portier: Wie hasse ich diese Fluggäste! Verschlafen die Nacht und wir haben nichts von ihnen.
Direktor: So kenne ich Dich, Stefan. Nicht arbeiten, aber
auptsacheHauptsache Extraknete einstecken wollen.
Portier: Sie zahlen doch Ihnen, nicht mir!
Direktor: Versuche ja nicht, Geld von den Gästen zu erpressen!
Portier: Immer müssen Sie mich beleidigen, Herr Direktor. Ständig solche grundlosen Verdächtigungen ...
Direktor: Und vergiss nicht, dass nach Mitternacht noch ein Gast kommt. Ein französisches Gesangstalent. Es kommt mit dem Nachtexpress. Gib ihm die Schlüssel von 310.
Portier: Machen Sie sich keine Sorgen. Ich nehme alle herzlich auf.
Direktor: Also kann ich mich auf Dich verlassen?
Portier: Natürlich. Wie immer!
Direktor
(spricht mehr zu sich): Soll heißen, dass mir selbst Schlaftabletten nicht helfen.
Portier
(hört mit): Wann hat je eine Schlaftablette allein geholfen? Nehmen Sie sie mit einer Abführtablette und die Wirkung ist garantiert.
Direktor: Gut. Ich bin müde.
Portier: Nur das Abführmittel nicht vergessen!
Direktor: Vergess ich nicht. Was?
Portier: Nun, wenn Ihnen nicht nach einem Abführmittel ist, dann schlucken Sie eben ein paar Viagra und werden unter der Bettdecke schlafen wie unter dem Sternenhimmel.
Direktor: Halte die Bälle flach, Stefan! Ich werde heute Nacht hier noch nach dem Rechten schauen.
Portier: Also kontrollieren wollen Sie! Und wann wollen Sie ungefähr vorbeikommen, wenn die Nachfrage gestattet ist?
Direktor: Hier der Hinweis: Zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens. Also mach’ Dich frisch, Du Nachttopf.
(geht weg)
                          
Es kehrt lang ersehnte Ruhe ein. Der Portier geht langsam durch die nächtlichen Hallen. Danach macht er es sich hinter dem Empfangstresen bequem.

2. Bild
  
Portier: Schlaft gut, verehrte Gäste unseres preiswerten Hotels! Schlaft und träumt süße
Träume. Und stört nicht, wenn auch ich mal ein wohlverdientes Nickerchen mache. Denn auch ich brauche mal meine Ruhe.

Alsbald ist das kräftige Schnarchen des Nachtportiers zu vernehmen. Das Telefon klingelt.

Nachtportier
(hebt träge den Hörer ab): Empfang. Stets zu ihren Diensten. Ah, der Sportler ... der Champion! Entschuldigen Sie, wissen Sie, wie spät es ist? Aha … das wissen Sie. Zwei Uhr in der Nacht! Dann sollten Sie gut verstehen, was Ihr Liebeswunsch kostet. Sie ahnen es sicher. Und: wie viel? Ich fürchte, dass Sie da nicht ganz richtig im Bilde sind. Es gelten neue Tarife, mein Herr. Ach, auch noch handeln wollen?! … Mit mir?! Vergessen Sie’s, solche Dienstleistungen erweise ich Männern nicht. Da können Sie die Wände hochklettern, das ändert nichts. Nicht so schnell, sage ich Ihnen. Ich komme mit dem Aufschreiben ja gar nicht hinterher! … Ihre Drohungen können Sie sich sparen. … Also drei bestellen? Zwei? Eine! Schwach. … Nein, das habe ich nicht zu Ihnen gesagt. Wem? Natürlich der Sexindustrie! Der Kunde ist ihr ja schließlich noch was schuldig. Nicht in meiner. Obwohl, wenn Sie darauf bestehen! Was? Kaum sind wir uns einig geworden, da kommt schon wieder etwas Ungewöhnliches. Auch noch Spezialwünsche haben! Wo hol ich Ihnen jetzt eine Jungfrau her? Auch noch mit solchen Maßen: 90/60/90. Aber ich kümmere mich. Ja, handverlesene Auswahl, geht in Ordnung. Apropos Trinkgeld. Für die Vermittlung nehme ich einen 50er. Darunter fange ich gar nicht erst an. Einverstanden. Und ich brauche keine Komplimente von Männern. Wieso? Ich fürchte, ich gewöhne mich noch daran. Behalten Sie alle warmen und zärtlichen Worte für Ihre Auserwählte auf. Nein, meine Stimme dürfte Ihnen nicht bekannt sein. Ich wiederhole, ich habe nie Telefonsex betrieben. Und unter dem Pseudonym „Josephine“ habe ich auch noch nie gearbeitet. Was sind Sie denn für ein Napoleon, Herr Gast von 311! Jegliche Verbindung zwischen uns ist unmöglich. Erwarten Sie Ihr persönliches Waterloo, Napoleon. Mon ami! Mein Geliebter.

Der Portier legt auf und ruft beim Freudenhaus an.

Portier: Ich brauche ein Mädchen! Ich verstehe, dass es jetzt um die Zeit knapp ist. Aber es ist dringend ... so. Unbedingt! Nun, bringen Sie ihr bei, wie sie wieder zum Mädchen wird. Soll sie sich an ihre keuschen Manieren erinnern. Ja, sie soll nur so tun. Was? Das Aussehen ist schon mal gegeben. Gott sei Dank. Wenigstens das schon mal. Meine weiteren Anforderungen an das Mädchen: Sie sollte eine Blondine sein. Schlank natürlich. Vorzugsweise mit Fremdsprachenkenntnissen. Wie ich schon sagte ... es wäre wünschenswert. Nein, ich rufe nicht bei einer Heiratsagentur an! Dass sie mindestens auf einem Musikinstrument spielen kann. Auf welchem ​​... Hauptsache nicht auf einer Trommel! Ich bitte Sie. Warum? Das ist eine persönliche Sache. Gut, dann eine Flötistin. Mein Kunde hat’s mit seinen Bällen, so wäre das ein ideales
Paar. Nur bieten Sie mir keine Ladenhüter an! Schämen Sie sich, einmal kostenlos und dann lebenslänglich! Nein. Nein! Gut ... zehn Prozent. Wissen Sie, wie viele Kunden ich habe? Gehen wir mal davon aus, dass das ganze Hotel jetzt nicht schläft. Man läuft herum. Man leidet. Und Sie? Einige gehen sogar an die Decke ... andere nagen an den Wänden. Doch unser Hotel ist ein Altbau. Am Zusammenfallen. Das ist eine andere Sache. Schicken Sie eine Dame und das so schnell wie nur möglich. Der Kunde hält sich mit letzter Kraft. Ich warte und bin ihnen sehr verbunden. Ihr Nachtportier (legt den Hörer auf).

3. Bild

Ins Foyer kommt das seltsame Mädchen von Zimmer 333.

Isabella: Oh, schauen Sie nur, was für ein großer Mond heute!
Portier: Ein Mond? Wo sehen Sie den?
Isabella: Am Himmel.
Portier
(schaut nach oben): An der Decke kann ich Risse sehen, und es tropft sogar, was davon zeugt, dass es jetzt draußen regnet. Und vielleicht sogar Schneeregen.
Isabella: Im Sommer?
Portier: Was das Wetter angeht, ist heutzutage alles möglich. Niederschläge aller Art, na ja, wir werden ziemlich gequält.
Isabella
(hört nicht auf den Portier, sondern schaut die ganze Zeit begeistert in die Höhe): Der Mond ... die Sterne ...
Portier: Und von welchem Stern sind Sie ... äh, Zimmer?
Isabella: Vom Stern mit der Nummer 333. Da wohne ich jetzt. Aber geboren bin ich auf einem winzigen Stern und träume, eines Tages auf dem Mond zu sein.
Portier: Meinen Sie vielleicht, dass ein Zimmer auf dem Mond günstiger wäre als bei uns?
Isabella
(flaniert durch das Foyer): Ich bin wahrscheinlich vom Mond.
Portier
(spricht mehr zu sich): Als hätte ich es geahnt! Alles prasselt wieder über meinem armen Kopf herein. Ich habe es zu allem Unglück auch noch mit Außerirdischen zu tun! Toll …
Isabella: Was hast Du gesagt?
Portier: Sind Sie sich da sicher?
Isabella: Was meinst Du?
Portier: Dass Sie vom Mond sind.
Isabella: Zweifellos. Mich zieht es so sehr dort hin.
Portier: Meiner Meinung nach sind Sie nicht vom Mond, aber eben doch eine Mondspaziergängerin.
Isabella: Nur bei dem Mondwetter verliere ich die Kontrolle über mich und beginne chaotisch zu zucken. Ich möchte so sehr irgendetwas ... aber was, das weiß ich selbst nicht so genau.
Portier: Ich fürchte, dass mir der wahre Grund Ihres unauslöschlichen Wunsches wohl bekannt ist.
Isabella: Und welcher wäre das?
Portier: Das kann ich nicht sagen.
Isabella: Aber warum?
Portier: Meine guten Manieren erlauben mir das nicht.
Isabella: Als könntest nur Du mein Geheimnis erraten!
Portier: Warum denn nur ich! Hier der Mann von Zimmer 311 ist auch nahe an der Auflösung Ihres Rätsels
.
Isabella: Vielleicht sollte ich ihn mal näher kennen lernen?
Portier: Ich kann da nicht helfen. Für mich sind zehn Prozent Provision immer noch so was wie die Zehn Gebote. Ich halte mich an mein gegebenes Wort.
Isabella
(macht sich unverhohlen heran): Und wenn ich Dich inständig bitte?
Portier: Kein wenn, würde, hätte, wollte!
Isabella: Und wenn es eine gewisse Belohnung gäbe?
Portier: Dann kommen Sie mal näher zur Sache!

Isabella: Da gäbe es zunächst mal einen Wangenkuss, als Vorschuss sozusagen.
Portier
(entrüstet): Das wurde mir schon angeboten ... allein schon aus Sympathie zu mir, und hier ein Kuss auf die Wange.
Isabella: Das wäre nur das Erste vorab.
Portier: Trotzdem ein bisschen wenig, nicht wahr?
Isabella: Schau mich an!
Portier: Etwas dürftig, wirklich.
Isabella: Ich setze mich zu Dir.
Portier: Das ist nicht erlaubt.

Isabella: Aber Du sitzt doch auch hier!
Portier: Ich sitze … im Dienst. Obwohl ich schon lange liegen sollte.
Isabella
(sieht auf dem Tisch einige Zeitungen): Wenn Du willst, kann ich Dir ja laut vorlesen, währenddessen Du liegen wirst.
Portier: Laut zu sein nach Mitternacht wäre doch sehr unpassend.
Isabella: Dann rede ich Dir eben direkt ins Ohr.

Portier: Sie wollen, dass ich taub werde?
Isabella: Dann flüstere ich halt bloß!
Portier
(liest die Überschrift): Also, wenn in Chile ... ein weiteres Erdbeben der Stärke 8, in der Antarktis Hitzewellen und  beispiellose Überschwemmungen in Australien, und ich noch liege und Sie mir das alles ins Ohr flüstern wollen, all die Katastrophen. Was für eine Unverfrorenheit!
Isabella: Das kommt alles vom Mond.
Portier: ... die ganze Welt ist am Rande ihrer Existenz, aber mir, dem Nachtportier bietet man an, auf alle irdischen Dinge zu verzichten und sich zu vergessen in den Armen einer Frau vom Mond!

Isabella: Was, ist alles wirklich so schlecht auf der Erde?
Portier: Schlimmer kann es nicht kommen!
Isabella: Dann fliegen wir eben zusammen zum Mond!
Portier: Womit?
Isabella: Mit einem Raumschiff.
Portier: Ist die Startrampe bereit zum Countdown?
Isabella: Zimmer Nummer 333 bereit zum Abflug zweier Astronauten zum Mond! Das Bett ist gemacht!
Portier: Die Rezeption wäre wohl für den Start eher nicht geeignet?
Isabella
(legt sich auf den Empfangstresen): Alles ist möglich. Lass uns gemeinsam die Schwerelosigkeit erfahren.
Portier: Ich fürchte, dass meine Trägerrakete heute nicht in Form ist.
Isabella: Du verweigerst Dich mir?
Portier: Ja ...
Isabella: Was?
Portier: Nein ...
Isabella: Das ist die richtige Antwort.
Portier: Ich verschiebe den Startzeitpunkt nur auf unbestimmte Zeit.
Isabella
(erhebt sich vom Empfangstresen): Und was ist mit unserer Liebe?
Portier: Unserer?
Isabella: Ja, Deiner und meiner.
Portier: Liebe zu machen gehört nicht zu den Pflichten eines Nachtportiers. Erst recht nicht mit Frauen vom Mond.
Isabella
(böse): Du wirst Dich noch an mich erinnern!

Portier: Stets zu Ihren Diensten. Vergessen wir mal nicht, im Gästebuch ein paar nette Worte über den Nachtportier zu hinterlassen!
Isabella
(schreibt etwas): Du wirst vor mir noch tanzen und mir auf allen Vieren hinterher kriechen!
Portier: Einfach so ins Zimmer zu kommen ist für mich als Nachtportier untersagt.
Isabella: Was bist Du doch für ein schwachsinniger Erdling!
(geht stolzen Hauptes fort)
Portier: Gruß an die Brüder und Schwestern im Geiste!

Der Portier schläft ein, mit einer Zeitung bedeckt. Ins Foyer kommt ein Mann in einem gestreiften Pyjama.

4. Bild

Eisner: Portier, schlafen Sie? Mein Liebster, wachen Sie doch endlich auf!
Portier: Wer schläft da? Ich dachte ... mit geschlossenen Augen, aber Sie haben mich unterbrochen. Verflucht aber auch!

Eisner: Sorry, ich wollte Sie nicht ablenken.
Portier: Und warum können Sie nicht einfach schlafen? Ich an Ihrer Stelle ...
Eisner: Sie an meiner Stelle hätten sich längst erhängt ...
Portier: Ich würde mich gern für eins, zwei Tage mal aufhängen. Die dritte Nacht kriege ich kein Auge zu!
Eisner: Und wo ist der Herr Direktor?
Portier: Was weiß ich! Er sagte, dass er nach Hause geht, sitzt aber wahrscheinlich irgendwo in einem Hinterhalt und wartet auf einen passenden Moment. Der Naive. Schließlich schlafe ich nie.
Eisner: Da bin ich wohl nicht zur rechten Zeit. Meine Frau scheint eingeschlafen zu sein ...
Portier: Für immer?
Eisner: Warum gleich so? Ich hoffe, sie wird bis zum Morgen durchschlafen.
Portier: In Ihr Problem bin ich eingeweiht. Seien Sie unbekümmert, Herr Eisner.
Alles geht in Ordnung.
Eisner: Sind Sie sich da sicher?
Portier: Wenn ich mir nicht sicher wäre, würde ich dann etwas sagen?
Eisner: Sagen Sie, haben Sie nicht zufällig …
Portier: Was nicht da ist, kann ich nicht geben.
Bargeld habe ich nicht dabei.
Eisner:
Ich habe auch kein ... Baldrian dabei. Und die Frau wecken will ich auch nicht.
Portier: Richtig, lassen Sie sie schlafen.
Eisner: Oh, wie mein
Herz klopft!
Portier: Nun, wenn Ihr Herz wirklich so pocht, dann heißt das wohl, dass Sie noch am Leben sind. Derweil.
Eisner: Was soll ich tun?
Portier
(hebt die Schultern): Wie kann ich das wissen? Ich bin hier nur der Nachtportier.
Eisner: Wie sehr es mir in der Brust drückt!
Portier
(spricht mehr zu sich): Leichen sind das, was mir gerade noch gefehlt hat. Eben ist die Mondspaziergängerin weg, da kommt man mir mit Herzraserei. Oh ... (wendet sich an Eisner) Okay, ich habe etwas für Sie nach eigenem Rezept. Obwohl mir der Herr Direktor strikt verboten hat, Gästen Medizin auszugeben. Aber ich kann Sie schließlich nicht einfach sterben lassen.
Eisner: Was ist das für Arznei?
Portier: Teure Medizin. Sehr teure! Patentierte. Für ihre Entwicklung und Produktion gehen viele Jahre ins Land, aber verbraucht wird sie in einem kurzen Moment.
Eisner: Und wie heißt sie?
Portier: Oh, die Bezeichnung ist auf Französisch, im Zeitpunkt der Einnahme ist sie schwer auszusprechen, und vor allem danach.

Eisner: Ich werde sie nehmen, egal, was es koste. Und was ist das?
Portier: Cognac!
Eisner: ... Cognac?
Portier: Die letzte Flasche. Übrigens Markenware. Der Herr Direktor sucht hier alles ständig nach Cognac ab, kann ihn aber - Gott sei Dank - nie finden.

Eisner: Ist er etwa so dumm?
Portier: Selbstverständlich. Und dazu ist er auch noch stolz. Seine Eitelkeit spielt
ihm auch übel mit. Schauen Sie, sein Stolz erlaubt es ihm nicht, eine gebückte Haltung einzunehmen, meine natürliche Arbeitshaltung sozusagen, und nachzuschauen ...
Eisner: Wo nachzuschauen?
Portier: ... na, im Mülleimer.
(holt eine Flasche Cognac aus dem Mülleimer)
Eisner: Aber das ist nicht gerade ästhetisch.
Portier
(öffnet den Cognac): In Ihrem Fall wäre ich nicht so ein Prinzipienreiter. Unter einem Dach mit Frau und Geliebter zu schlafen, ist weit weniger ästhetisch.
Eisner: Aber ich trinke überhaupt keinen Alkohol.
Portier: Ich … mische ihn auch überhaupt nicht.

Eisner: Ich darf nicht trinken.
Portier: Als ob es mir erlaubt sei.
(Pause) Nun, ganz wie Sie wollen. Ich wollte Ihnen eigentlich nur helfen, Stress abzubauen.
Eisner: Hilft mir das wirklich?
Portier: Wollen wir es hoffen.
Zumal sich ein geeigneter Trinkspruch schon gefunden hat.
Eisner: Was für einer?
Portier: Auf Ihr polygames Herz sozusagen!
(sie stoßen an und trinken)
Eisner
(beschwipst): Schrecklich! Nur daran zu denken, was für unmenschliche Qualen ich durchleide! Und vor allem wofür? Bin ich etwa ein Hündchen, das ständig um ihren Rock schwänzeln soll?
Portier: Von wem reden Sie jetzt: der Ehefrau oder Geliebten?
Eisner: Als ob das eine Rolle spielt!
Portier: Trotzdem: wen meinen Sie?
Eisner: Beide. Obwohl mich meine Frau in letzter Zeit am meisten nervt mit ihren Vorwürfen. Heute hat sie mich nicht einen Schritt von sich losgelassen. Ich fühle, dass  sie etwas ahnt.
Portier: Ihre Schuld zu erkennen und zu beweisen, wird aber nicht so einfach sein. Man weiß nie, was sich eine eifersüchtige Frau so einbildet.
Eisner: Sie ist heute meiner - Sie wissen schon, wen ich meine - begegnet und fing an, die absurdesten Vermutungen über mich anzustellen.
Portier
(gießt wieder ein): Stressig, so etwas!
Eisner: Mir ist rein zufällig eine Frau über den Weg gelaufen, aber das bedeutet ja nicht, dass ich gleich mit ihr schlafe.
Portier
(stößt mit Eisner an und sie trinken zusammen aus): In der Tat! Total zufällig laufen uns Frauen einfach so über den Lebensweg. Nur der weibliche Verstand ist zu solchen unlogischen Schlussfolgerungen in der Lage. Ja, ich zweifle überhaupt, ob Frauen ein Gehirn haben!
Eisner: Also wirklich, Ihre Verdächtigungen allein sind völlig fehl am Platze!
Portier
(gießt Cognac ein): Es ist so erniedrigend, wenn einem nicht vertraut wird.
Eisner: Es nötigt einen zu Tränen. Man will schließlich so sehr, dass einem vom ersten bis zum letzten Wort geglaubt wird. Nehmen wir an, man war nächtens nicht zu Hause. Na und? Kurzzeitige Amnesie! Ging nach Hause, bekam einen Schwächeanfall und vergaß völlig den Weg. Als es einem wieder einfiel, da war es auch schon wieder  Morgen.
Portier: Das ist ja noch gar nichts. Einmal konnte ich mich auch drei Tage und drei Nächte nicht erinnern. Wobei man mir mittels eines schweren und stumpfen Dings nachhalf, das man gegen meinen Kopf schlug!
Eisner: Unerhört! Einen Mann mit einem schweren Gegenstand auf den dummen
Kopf zu schlagen ...
Portier: Nicht auf den dummen Kopf, sondern nur den Kopf.
Eisner: Egal, womit der Mann geschlagen wird, das ist nicht gerade die feine Art. Dabei kann er durchaus sein gesamtes Gedächtnis verlieren!
(sie trinken)
Portier: Wie wahr gesprochen! Und warum musste auch Gott noch dazu aus der Rippe des Mannes eine Frau erschaffen! Wer hatte darum gebeten? Wofür? Wenn er es schon getan hat, hätte er sie ja eben für sich behalten können. Aber nein, uns das auch noch unterjubeln müssen!
(Pause) Und leiden Sie schon lange so?
Eisner: Den neunten Monat.
Portier
(besieht sich Eisner etwas aufmerksamer): Bei Ihrer Figur würde ich noch nichts sagen ...
Eisner
(gießt sich selbst ein und trinkt für sich allein): Ich versuche, mich in Form zu halten.

Portier: Halten Sie sich wacker, Herr Eisner. In Gedanken bin ich mit Ihnen.
Eisner: Scheint so, dass ich schon etwas beschwipst bin!
Portier: Macht nichts. Die Rechnung für den Cognac macht Sie schnell wieder nüchtern.
Eisner: Das ist keine Sache des Geldes.
(er schlägt sich an die Brust) Mir tut doch die Seele weh!
Portier: Und das Herz?
Eisner: Wie, das Herz!
Portier: Tut es nicht weh?
Eisner
(versucht, seinen Puls zu fühlen): Es ist vorüber. Echt, da klopft nichts.
Portier: Wie, völlig?

Eisner: Völlig!
Portier (verängstigt): Das kann nicht sein!
Eisner: Aber es ist nun mal Tatsache.
(Pause) Die Angst in meinem Herzen ist bereits gestorben. Ich geh jetzt also mal los.
Portier: Um es der Geliebten recht zu machen?
Eisner: Jawohl, ihr. Der Frau habe ich es scheinbar schon recht gemacht.
Portier: Schlecht, dass Ihnen das nur so scheint. Man sollte besser sicher sein in dieser Sache.
Eisner: Und wer kann in dieser Sache für die Frauen sprechen? Verstellen können Sie sich doch allemal.

Portier: Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Eisner: Ich gehe also. Welches Zimmer hat sie?
Portier
(schaut auf das Blatt): Für Ihre Geliebte ist das Zimmer 336 gebucht. Vielleicht sollte ich sie begleiten?
Eisner: Nein, das ist nicht nötig. Ich schaff’ das schon selbst
(geht mit wiegender Bewegung fort)
Portier
(spricht mehr zu sich selbst): Heiliger Mann, Held, Kamikaze! Und dabei sehen sich Geliebte und Ehefrau gleich!

Es kehrt langersehnte Ruhe ein. Der Nachtportier ist im Begriff, einzuschlafen. Doch plötzlich kommt eine Frau im Nachthemd und übergeworfenem Bademantel ins Foyer.

5. Bild

Frau Eisner: Guten Morgen!
Portier
(verliert für einen Moment die Selbstbeherrschung): Was lungern alle hier immer rum! Man hat ja nie Ruhe, weder tags noch nachts!
Frau Eisner: Haben Sie zufällig einen Mann im Schlafanzug gesehen?
Portier: Und wegen so etwas wecken Sie mich?
Frau Eisner: Verzeihen Sie mir.
Portier: Gott verzeiht Ihnen.
Frau Eisner: Verstehen Sie, er hatte mir etwas gesagt, als er ging, aber ich kann mich nicht erinnern, was.
Portier: Legen Sie nicht jedes Wort Ihres Mannes auf die Goldwaage. Am Ende sehen Sie gar nicht mehr durch. Das geschieht Ihnen also ganz recht so.
Frau Eisner: Vielleicht ist etwas mit ihm passiert?
Portier: Mit wem?
Frau Eisner: Na, mit meinem Ehemann!
Portier: Welches Zimmer haben Sie?
Frau Eisner: Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich denke die 336.
Portier: Na, das sollten Sie aber schon genau wissen!
Frau Eisner: Was macht das schon für einen Unterschied?
Portier
(spricht mehr zu sich): Irgendwas ist hier faul. Diese Frau erzählt mir irgendwelche Ungereimtheiten. Ich bin mir einfach sicher, dass ich die Ehre habe, die Frau des Herrn Eisner vor mir zu haben. Aber wie hat sie herausgefunden, dass ihre Rivalin in Zimmer 336 wohnt?

Frau Eisner: Hören Sie mich nicht? Was macht das für einen Unterschied für Sie, von welchem Zimmer ich bin?
Portier: Für Sie vielleicht keinen, für mich aber schon!
Frau Eisner: Verstehen Sie, mein Mann ist weg und Sie führen sich auf wie ein Bürokrat!
Portier: Nicht nur bei Ihnen kommt mal der Mann weg! Aber andererseits, wenn der Ehemann an einer Stelle verschwindet, muss er ja irgendwo auch wieder auftauchen.
Frau Eisner: Wissen Sie irgendetwas?
Portier: Gut, gut, wenn Sie sich an Ihr Zimmer nicht erinnern, dann sagen Sie mir, wann Sie in unserem Hotel angekommen sind.
Frau Eisner: Gegen um acht.
Portier: Doch mehr gegen halb neun!
Frau Eisner: Kann sein. Ist eine halbe Stunde etwa so wichtig für Sie? Sie sind echt ein herzloser Mensch!
Portier: Ich bin nicht herzlos, sondern lediglich prinzipientreu bei meiner Arbeit als Nachtportier.
Frau Eisner: Und was soll ich denn machen?
Portier: Schauen Sie bei sich wegen der Zimmernummer!

Frau Eisner geht weg und kehrt bald zurück.

Frau Eisner: Ja, ja, ganz richtig. Zimmer 336.
Portier
(seufzt  erleichtert): Und warum geht das nicht gleich so!
Frau Eisner: Was wollen Sie damit sagen?
Portier: Sie wissen doch alles selbst. Warum fragen Sie da noch?
Frau Eisner: Ich weiß was?
Portier: Alles oder fast alles, was Sie wissen sollen.
Frau Eisner: In Anbetracht der Nacht wollen Sie also eine Intrige spinnen?

Portier: Ich habe es nicht gerade leicht mit Ihnen. Nun, wie soll ich Ihnen sagen, dass ich alles, aber auch alles weiß. Natürlich, der Frau von Zimmer 339 würde ich nicht sagen, was ich Ihnen sage, der Frau von Zimmer 336. Kurz gesagt, sobald die Frau Ihres … nun, Sie wissen schon … einschlief, kam er sofort zu Ihnen. Sie haben ihn vermutlich verpasst!
Frau Eisner
(weinerlich): Er hat doch ein schwaches Herz! Vielleicht liegt er schon irgendwo tot?
Portier
(denkt langsam nach): Ja, irgendwo, oder vielmehr auf jemandem! Wahrscheinlich muss er gerade jetzt mal wieder seiner ehelichen Pflicht nachkommen.
Frau Eisner: Ich versuche, Sie zu verstehen, aber ich bin machtlos.
Portier: Ich sehe, dass es ihm auch nicht leicht gefallen ist, Sie zufrieden zu stellen.  Aber ich sage Ihnen wie einer Verwandten, dass ich ganz und gar auf Ihrer Seite bin.
Frau Eisner: Auf welcher Seite?
Portier (stolz): Auf der Seite … der Liebe. Denn nur durch die Liebe kamen alle Liebhaberinnen und Liebhaber der Welt auf. Ehefrauen und Ehemänner sind uns aufgezwungen ... An Händen und Füßen fesseln sie uns. Aber Liebe kann nicht ohne Freiheit leben. Also verstehe und akzeptiere ich Ihre Liebe. Bedingungslos!
Frau Eisner: Wollen Sie etwa sagen, dass mein Mann eine Geliebte hat?
Portier: Pssst! Lassen Sie uns das Wort nicht
offen aussprechen.
Frau Eisner: Also ist es wahr?

Portier: Na ja, okay, wir sind hier ja unter uns.
Frau Eisner: Meinen Sie das ernst?
Portier
(vorsichtig): Hören Sie, sind Sie sicher von Zimmer 336?
Frau Eisner: Ich habe es Ihnen doch bestätigt!
Portier: Ja, und warum schauen Sie mich jetzt so an, als ob Sie erst jetzt erführen, dass Ihr Geliebter eine Frau hat. Hatte er Ihnen das etwa nicht gesagt?
Frau Eisner: Wer?
Portier: Ihr Liebhaber!
Frau Eisner: Mein Geliebter?
Portier: Na ja, meiner jedenfalls nicht!
Frau Eisner
(neugierig): Und in welchem Zimmer ist die Ehefrau von Herrn Eisner?
Portier: In der 339.
Frau Eisner: Verwechseln Sie da nichts?
Portier: Ich verwechsle nichts. Hier in der Ankunftsliste in die Unterwelt steht klar und deutlich, dass Ihr Geliebter und seine Frau im Einzelzimmer 339 übernachten, und Sie deshalb in der 336. In der Suite.
Frau Eisner: Also wohne ich Ihrer Meinung nach in der Suite?
Portier: Genau dort.
Frau Eisner: Aber ich lebe in einem Einzelzimmer. Mit Blick auf den Innenhof. Mein Mann sagte, dass es keine freien Zimmer mehr im Hotel gibt.
Portier: Sie wohnen in einem Einzelzimmer?
Frau Eisner: Ja.
Portier: Das ist die Katastrophe!
Frau Eisner: Was?
Portier
(spricht mehr zu sich): Ich glaube, ich habe mich verplappert.
Frau Eisner: Was haben Sie sich verplappert?
Portier: Nichts dergleichen. Ich habe mich nicht verplappert, sondern nur versprochen.
(spricht mehr zu sich) Ich habe mir wohl selbst die Schlinge um den Hals gezogen.
Frau Eisner: Was haben Sie gesagt?
Portier: Wahrscheinlich hören Sie schlecht, weil Ihnen gar nicht klar ist, was ich Ihnen gerade gesagt habe. Eine halbe Stunde mache ich Ihnen bereits klar, dass ich Ihren Mann nicht gesehen habe. Und wo er zu finden ist, weiß ich auch nicht.
Frau Eisner: Vielleicht sage ich es Ihnen?
Portier: Es ist leichter, eine Nadel im Heuhaufen zu suchen, als Ihren Mann.
Frau Eisner: Versuchen Sie nicht, abzulenken!
(Pause) Warum schweigen Sie?
Portier:
Mit Ihnen rede ich kein Wort mehr.
Frau Eisner: Also ist mein Mann jetzt in Zimmer 336, mit seiner Geliebten in der Suite.
Portier
(verwundert): Da kommt ein dummer Gedanke in den Kopf einer Frau.
Frau Eisner: Ja, dort ist er.
Portier: Schauen Sie lieber noch mal gründlich bei sich nach. Vielleicht haben Sie ihn ja übersehen. Ihrer ist ja so ... klein.
Frau Eisner: Und wird auch nicht mehr groß.
Portier: Wo gehen Sie hin?
Frau Eisner: In die Suite.
Portier: Was haben Sie da verloren?
Frau Eisner: Ich war nie in einer Suite, ich möchte es versuchen, bevor ich ins Gefängnis komme.
Portier: Ich möchte Sie warnen, dass in den Suiten sehr respektable und wichtige Leute leben.
Frau Eisner: Das werden wir ja sehen!
(sie geht weg)
Portier
(ruft hinterher): Kommen Sie zurück! Sie finden niemanden dort. (spricht mehr zu sich) Wie dumm gelaufen!

Es klingelt an der Tür. Der Portier öffnet den Haupteingang. Ins Hotel tritt eine ältere Frau.

6. Bild


Französin: Voila, hier bin ich.
Portier
(nicht sehr gastfreundlich) Ich kann es sehen.
Französin: Ich hatte bestellt ...
Portier
(unterbricht): Ich möchte betonen, nicht Sie haben bestellt, sondern Sie … wurden bestellt. Aber ich hätte nie gedacht, dass es in Ihrem Alter noch möglich ist, so etwas zu machen.
Französin: Ich arbeite so viel, wie Kraft und Talent hergeben.
Portier: Sie gehen also auch noch mit Inspiration an die Arbeit? Das nenne ich die gute alte Schule!
Französin: Ich habe das Konservatorium im Fach Violoncello absolviert.
Portier: Man hatte mir erzählt, dass Sie auf der Flöte spielen.
Französin: Nein, nur auf Streichinstrumenten.
Portier
(spricht mehr zu sich): Nun, da haben Sie mir aber eine untergeschoben! Obwohl, was kann ich da sagen, ich habe ja eine Blondine angefragt und bekam … eine Blondine. Nun, sie ist schließlich nicht brünett. Das Haar aber ist schon ganz grau. Und wo sollte ich jetzt noch ein anderes Mädchen auftreiben?
Französin: Ich würde mich gern duschen nach der Reise. Welches ist mein Zimmer?
Portier: Zimmer 311.
(Pause) Großmutter, wie alt bist Du eigentlich?
Französin: Warum musst Du das wissen, mein Enkel?
Portier: Ich dachte mir gerade, vielleicht ist es Schicksal, dass Sie mit 311 Jahren im Zimmer 311 landen.
Französin: Sehe ich etwa
so schlecht aus?
Portier: Verstehen Sie mich richtig, ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich bin nur wegen Ihrer Gesundheit besorgt.
Französin: Schau mich nur nicht so an wie ein Exponat im Museum. Ich stehe immer noch meinen Mann. Jawohl!
Portier: Das genau beunruhigt mich. Hatten Sie nicht vor, aufs Zimmer zu gehen? Ich denke, die Zeit ist reif, diesen sündigen Pfad Jüngeren zu überlassen. Wenigstens
hundertjährigen Mädels. Aber so hängen Sie auf den Zimmern herum mit Ihrem Violoncello.
Französin: Das ist eine Gitarre.
Portier: Und ich dachte, ein Kontrabass. Aber wenn Ihr Musikinstrument nach wie vor als Fitnessgerät dient, dann ist es wohl eine andere Sache?!
Französin: Wenn Du willst, spiele ich etwas für Dich.
Portier
(spricht hastig): Nein!
Französin: Für Dich mach’ ich’s kostenlos!
Portier: Auch noch für lau arbeiten wollen. Ja, Omi, Du bist eine echte Flötistin und unersetzbare Kraft. Okay, kümmern Sie sich. Ich glaube an Sie.
Französin: Der Kunst wegen bin ich zu jedem Opfer bereit.
Portier: Erlauben Sie mir zum Abschied, Ihnen einen kostenlosen Ratschlag zu geben. Wenn Sie ins Zimmer gehen, machen Sie das Licht nicht sofort an.
Französin: Warum?
Portier
(spricht mehr zu sich): Und sie fragt mich auch noch, warum! Weil es sehr schrecklich ist, wenn Männerträume durch solcherlei menschliche Überreste gestört werden. (spricht weiter mit der Französin) Das Licht geht nicht. Erst heute Morgen kommt der Elektriker, um es in Ordnung zu bringen. Legen Sie sich sofort schlafen und genießen Sie Ihre Lust.
Französin
(versucht, den Portier zu umarmen): Komm, ich küss’ Dich dafür.
Portier: Das muss nicht sein. Kommen Sie erst mal mit Ihrer Bestellung klar und hängen sich erst dann jungen Männern an den Hals.
Französin: Auf mich wartet Publikum im Zimmer?

Portier: Und ob! Man ist schon ganz ungeduldig. Ich segne euch alle! (spricht mehr zu sich) Vergib mir, Herr. Vergib Ihnen allen. Dir ist es möglich! (die Französin geht auf Zimmer 311)

Vom Flur her sind wiederum Schritte zu hören.

Portier: Schon wieder kommt jemand. Das geht jetzt aber langsam über meine Nerven!

7. Bild

Frau Eisner kommt ins Foyer.

Frau Eisner: Merkwürdig.
Portier: Was ist merkwürdig?
Frau Eisner: Das, was ich in der Suite gesehen habe.
Portier: Ich bin ganz Ohr!
Frau Eisner: Da fand ich eine schlafende Frau vor.
Portier: Sie wollten vielleicht gleich zwei!
Frau Eisner: Nein, ich war einfach überzeugt, dort meinen Mann zu finden.
Portier: Was für eine Versessenheit, seinen Mann in den Armen von zwei süß schlafenden Frauen vorfinden zu wollen!
Frau Eisner: Aber Sie selbst haben mich doch auf diese Idee gebracht!
Portier: Ich? Niemals! Da verwechseln sie was.
Frau Eisner
(verzweifelt): Also, wo ist er?
Portier: Ich bin mir sicher, dass er bereits in Ihrem Zimmer ist.
Frau Eisner: Ich komme gerade von dort. Mein Mann ist nicht da. So, als ob er niemals da gewesen sei.
Portier: Und war er denn wirklich mal da?
Frau Eisner: Soll er nur kommen, und ich werde ihm alles ... verzeihen.
Portier: Vielleicht ist er Bier holen gegangen.
Frau Eisner: Hätte er es nicht auch bei Ihnen kaufen können?
Portier: Bei uns ist es teuer. Sehr teuer sogar. Bestimmt ist er fort gegangen, um für Euch beide für den Morgen ... einen Kasten Bier zu kaufen.
Frau Eisner: Mein Mann trinkt überhaupt nicht.
Portier: Vielleicht war er eingeschnappt?
Frau Eisner: Eingeschnappt? Wieso und weswegen denn?
Portier: Weswegen wohl?
(nimmt eine Zeitung zur Hand) Hier in der Zeitung steht, dass Männer ein sehr stolzes und verletzliches Völkchen sind. Man braucht sie nur einmal anzuschreien, streng die Erfüllung der ehelichen Pflicht zu verlangen und schon sind sie beleidigt und bereit, Hand an sich anzulegen.
Frau Eisner
(spricht mit dem Ton einer Geschäftsfrau): Also, ich weiß von nichts. Wenn ich ihn nicht in zehn Minuten in meinem Bett sehe, dann rufe ich die Polizei!
Portier: Können Sie damit nicht bis zum Morgen warten? Dann ist für mich der Nachtdienst vorbei und dann können Sie Feuerwehrleute und Polizisten rufen. Wenn Sie wollen, auch Terroristen. Wen Sie nur wollen! Aber erst in drei Stunden.
Frau Eisner: Ich hoffe, dass nicht alle Männer so schnell beleidigt sind wie mein Mann. Mein Wort gilt. Die Zeit läuft.
Portier: Und womit kann ich Ihnen behilflich sein?
Frau Eisner: Meine Intuition sagt mir, dass Sie irgendetwas mit dem Verschwinden meines Mannes zu tun haben. Bringen Sie ihn mir zurück, oder Sie selbst ...
Portier: Was „ich selbst“?
Frau Eisner: Es ist so furchtbar, allein zu sein. Unerträglich ist das!
(sie geht weg)
Portier
(spricht mehr zu sich): Das ist wieder mal ein Nachtdienst! Immer was los. Und kein Auge zuzukriegen! Und wo soll ich bitteschön Ihren Mann finden, Frau Eisner? Der Teufel soll ihn holen! Er ist nicht bei Ihnen und erst recht nicht bei seiner Geliebten. Ich kann doch deswegen nicht gleich das ganze Hotel wecken! Am Ende ist er bloß ein Alkoholiker! „Er trinkt überhaupt nicht …“ Aha, da haben wir’s! Muss auch noch das Zimmer verwechseln! Und wem macht er es jetzt recht? (Pause) Da gehe ich jetzt also mal zu Frau Eisner. Vielleicht kann ich sie ja etwas aufmuntern!

2. Akt

1. Bild

Früh am Morgen. Lärm. Geschäftiges Treiben an der Rezeption.

Direktor: Hat jemand diesen verdammten Portier gesehen?
Eisner: Ich habe ihn nicht gesehen.
(Pause) Was schauen Sie mich so verdächtig an?
Direktor: Haben Sie ihn wirklich nicht gesehen?
Eisner: Ich suche ihn selbst!
Direktor: Ich suche den Nachtportier
und seinen Zechkumpan. Hauchen Sie mich mal an!
Eisner: Was für widerliche Unterstellungen! Ich trinke überhaupt nicht. Auf keinen Fall!
Direktor: Wie haben Sie gesagt?
Eisner: Aber ich trinke doch überhaupt keinen Alkohol. Ich … mische ihn auch überhaupt nicht.

Direktor: Das sagt mir Stefan auch immer so. Aber hauchen Sie mich mal an!
(Pause) Nicht einatmen, sondern mich anhauchen!
Eisner
(atmet die Luft ein): Ich atme immer so.
Direktor: Und wann atmen Sie denn mal aus?
Eisner: Ich möchte bemerken, dass zum Beispiel Wale unter Wasser ihren Atem bis zu 10 Minuten anhalten können.
Direktor: Zehn Minuten, sagen Sie? Worauf warten wir?
(Pause) Es wäre wahrscheinlich gut, ein Wal zu sein!
Eisner: Und weshalb?
Direktor: Weshalb? Na ja, sie trinken eben keinen gepanschten Cognac.
Eisner: Ach, und deshalb fühle ich mich so schlecht!
Direktor: Und Sie sagten, Sie hätten nichts getrunken!
Eisner: Auch jetzt sage ich nichts anderes.

Direktor
(in versöhnlichem Ton): Ich hoffe für Sie, Herr Eisner, dass alles wie am Schnürchen gelaufen ist.
Eisner
(schaut sich um): Ich flehe Sie an, sprechen Sie bitte leiser! Verstehen Sie, ich bin in noch eine weitere heikle Situation geraten und hätte doch gern, dass sich das nicht zum Skandal auswächst.
Direktor: Was,
noch eine heikle Situation? Nun, wissen Sie aber auch …
Eisner: Ich weiß selbst nicht, wie mir das passieren konnte. Aber glauben Sie mir, was ich sah, als ich aufwachte, hat mich zutiefst schockiert.
Direktor: Ich denke, den Schock erleben Sie nicht allein. Ich warte nämlich gerade auf
diesen in Person ...
Eisner: Es war ein Albtraum!
Direktor: Ich vermute, dass es ohne Bosheiten
des Nachtportiers in Ihrem Fall nicht abgegangen ist.
Eisner: Ich würde gern mein Problem mit so wenigen Personen wie möglich besprechen. Alles war rechtens und sittlich, als ich zu meiner Geliebten ging. Aber irgendwie bin ich halt nie angekommen.
Direktor: Wollten Sie zu Ihrer Frau zurückkehren?
Eisner: Das kann alles sein. Obwohl ich Ihnen gestehen muss, dass ich mich an alles nur sehr vage erinnere. Doch ich war fest entschlossen, meine Mannespflicht bis zum Ende auszuführen. Was ich tatsächlich auch getan habe!

Direktor: Ich gratuliere!
Eisner: Warten Sie noch, bevor Sie mir gratulieren. Denn als ich im Zimmer aufgewacht bin, habe ich neben mir einen schlafenden Mann gesehen.
Direktor: Und natürlich war das der Nachtportier! Der Schlawiner ist doch zu allem bereit, nur damit man ihn im Gästebuch verewigt.
Eisner: Was hat der Nachtportier damit zu tun? Ich lag in den Armen des jungen Mannes von Zimmer 311.
(Pause)
Direktor: Frau und Geliebte reichen also nicht, Sie müssen’s auch noch mit
Männern treiben!
Eisner: Was sagen Sie da, ich bin überhaupt nicht so einer! Ich bin Familienmensch!
Direktor: Es erscheint mir doch sehr seltsam, dass Sie um jeden Preis versuchen, den Nachtportier zu rechtfertigen.
Eisner: Als ob ohne Ihren Nachtportier die Welt unterginge! Der Mann von Zimmer 311 ist ein echter Apollo. Es ist schon erschreckend, nur daran zu denken, was zwischen uns war.
Direktor: Also war da was?
Eisner
(sich rechtfertigend): Um nicht zu sagen, was da hätte sein können. Aber auch das ist noch nicht alles ...
Direktor
(reibt sich die Hände): Also doch der Nachtportier! Was habe ich Ihnen gesagt! Ohne ihn ging es hier nicht ab. Dieser Nachttopf ...
Eisner: Irgendwie sind Sie besessen, dass an allem immer der Nachtportier schuld ist.
(Pause) Ich bekam noch einen Schock, als ich da auch eine Alte sah, die im Sessel schlief, Arm in Arm ...
Direktor: Na, jetzt müssen Sie mir aber recht geben, dass es sich hier um den  Nachtportier handelt! So weit ist er schon …
Eisner: Und warum ist jetzt dieser Stefan wieder an allem schuld?
Direktor: Das ist eindeutig wieder mal er. Wer denn sonst? Ich kenne alle seine Eigenarten. Stefan ist zu allem fähig.
(betätigt nervös die Klingel). Jetzt rede ich Tacheles mit ihm.
Eisner: Hören Sie doch endlich mal zu! Die Alte schlief in den Armen ... einer Gitarre.
Direktor: Was für eine Gitarre da?
Eisner: Scheinbar mit sieben Saiten.
Direktor: Sind Sie sich da sicher? Kann da kein Fehler sein?
Eisner: Meinen Sie etwa, ich kann eine Gitarre und den Nachtportier nicht auseinander halten? Der Portier war nicht im Zimmer. Wirklich nicht!

2. Bild

Portier
(läuft zur Hotelrezeption): Was ist denn hier los?
Direktor: Wo warst Du?
Portier: Lassen Sie erstmal die Klingel los, Herr Direktor. Sie wecken noch alle unsere Gäste!
Direktor: Vielleicht ist es auch das, was ich bezwecken will. Schließlich brauche ich Zeugen und je mehr von ihnen, desto besser.
Eisner: Das geht niemanden sonst etwas an!
Direktor: Da irren Sie sich! Ich will, dass auch andere seine ständigen Lügen hören.
Portier: Also was wollten Sie jetzt genau, Herr Donner?
Direktor
(außer sich): Wie spät ist es?
Portier: Halb fünf.
Direktor: Alle haben’s gehört. Wieder lügt er und wird nicht einmal rot dabei. Was habe ich gesagt!
Eisner
(schaut auf die Uhr): Nein, er hat recht. Es ist Punkt halb fünf.
Direktor: Was, wirklich?
Eisner: Auf die Minute.

Direktor: Gut. Dann stelle ich Dir eine interessante Frage. Um sie zu beantworten, solltest Du gut nachdenken.
Portier: Fragen Sie!

Direktor: In welcher Zeitzone befinden wir uns?
Eisner: Was tut das zur Sache?
Direktor: Mischen Sie sich da nicht ein. Wir haben alte Rechnungen zu begleichen. Ich weiß, wovon ich rede!
Portier: Wenn Sie sich, Herr Direktor, an die Zeit von Greenwich als Ausgangspunkt halten, so sollte klar sein, dass wir in der ersten Zeitzone leben. Das heißt, die Abweichung von der Greenwicher Zeit beträgt
1 ​​Stunde.

Direktor: Und Greenwich liegt wo?
Portier: In England.
Direktor: Das heißt, in England steht der eine oder andere bereits auf, währenddessen Du Dich, Gott weiß wo, herumtreibst?
Portier: Im Moment ist dort finsterste Nacht. Wenn bei uns halb fünf ist, ist es dort erst halb vier.
Direktor: Ist das wahr?
Eisner: Besser kann man es nicht sagen.
Direktor: Was bist Du nur für ein Schlaumeier, Stefan!

Portier: Ehrlich?
Direktor: Wie vor dem Kruzifix.
Portier: Ich erinnere mich nicht.
Direktor: Da leidet noch einer an Gedächtnisverlust.
(zeigt auf die leere Flasche) Ich bin mir einfach sicher, dass der Cognac hier nicht die letzte Rolle spielt.
Portier: Was für Cognac?
Direktor: Hör auf, Dich zu verstellen! Herr Eisner hat mir alles erzählt, wie Du ihn abgefüllt hast.
Eisner: Ich? Ich habe so etwas nicht gesagt!
Direktor
(wendet sich an Eisner): Wovor haben Sie Angst? Ich kann Sie schließlich nicht entlassen.
Portier: Und ich bin schon entlassen!
Direktor: Und das zu Recht. Aber zuvor erzählst Du mir, wie es passieren konnte, dass der Gast von Zimmer 336 im Zimmer 339 nicht ankam.
Eisner: Ja, wie also?
Portier: Woher soll ich das wissen? Obwohl, warten Sie. Warum kam Herr Eisner aus dem Zimmer 336, wenn er aus der 339 kommen sollte?
Eisner: Ich weiß genau, dass ich die 336 gebucht habe.
Portier: Sie haben die 339 gebucht.
Eisner: Die 336!
Portier: Die 339!
Eisner: Er will mich noch was lehren - dieser Nachttopf!
Portier: Nun, gut, sagen wir es mal so. Was ist denn mit Ihnen passiert, als Sie aus dem Einzelzimmer kamen?
Eisner: Ich kam hierher. Und wir ... tranken.
Portier: Sie irren sich.
Eisner: Nein, wir tranken.
Direktor: Also, man trank!
Eisner: Ja, wir tranken, und ich ging in die 339.
Portier: In die 336.
Eisner: In die 339.
Portier: Nein, in die 336!
Eisner: Was bringen Sie mich immer durcheinander! Daran erinnere ich mich schließlich noch gut.

Portier: Ich weiß nicht, woran Sie sich da erinnern, in der Ankunftsliste steht klipp und klar, dass Ihr Zimmer die 339 ist.
Direktor
(schaut auf die Ankunftsliste): Stefan hat doch recht.
Eisner: Nun, was halten Sie mich zum Narren! Da hing die letzte Zahl – die Sechs – niedriger als die anderen beiden. Als ob die Zahlen nicht eben angeklebt seien.
Direktor: Sie wollten sagen, angenagelt!
(Pause) Warten Sie, ich habe anscheinend erfasst, was hier los ist und werde heute nicht nur mit dem Nachtportier ein Hühnchen rupfen.
Eisner: Also auch mit mir?
Direktor: Ich bringe … unseren Hausmeister um.
Portier: Was kann er dafür? Ein toller Kerl.
Direktor: Ich habe ihn gebeten, bekniet, letzten Endes gedroht, diese letzte Zahl fest anzunageln! Man braucht nur die Tür etwas stärker zuzuschlagen und die Zahl 9 verliert ihre Stabilität, dreht sich um die eigene Achse und schon verwandelt sie sich in eine 6.
Und deshalb wurde Ihre Nummer 339 zur 336.
Eisner: Sie haben also zwei Nummern 336?
Direktor: Nein, was reden Sie da! Ich habe Ihnen doch eben erst alles erklärt. Die letzte Ziffer in der Zahl 339 ist zur Sechs und die Nummer demzufolge zur 336 geworden. Na warte, Hausmeister, komm Du nur auf Arbeit und ich werde einen Hackklops aus Dir machen.
(zeigt auf den Nachtportier) Genauso ein Ganove wie dieser da. Kümmert sich rein um gar nichts!

Unbemerkt kommt das seltsame Mädchen von Zimmer 333 ins Foyer.

3. Bild

Isabella: Herr Direktor, wie lange muss ich auf Sie warten? Der Mond ist am
Untergehen und ich könnte es mir noch anders überlegen. Ich habe Ihrem Vorschlag ja fast zugestimmt ...
Direktor
(sanft): Gleich ... gleich. Ich komme schon!
Portier: Warten Sie, Herr Direktor, was machen Sie denn hier zu solch später Stunde?
Direktor: Ich überprüfe Deine nachlässige Arbeit!
Portier: Wie, gemeinsam mit unserer sonderbaren Bewohnerin?
Direktor: Stefan, bring mich nicht auf die Palme! Ansonsten werde ich Dich
noch einmal entlassen.
Portier: Ich wusste nicht, dass Sie von einer so krankhaften Leidenschaft für Entlassungen besessen sind.
Isabella: Kommst Du?
Direktor: Ich eile, mein Schatz. Nur eine Minute!
Isabella: Beeil’ Dich! Wenn Du nicht gleich kommst, werde ich wütend auf Dich. (geht weg)

4. Bild

Portier: Jetzt habe ich mal eine Frage an Sie, Herr Eisner: Wo waren
Sie die ganze Zeit?
Eisner: Im Zimmer 311.
Portier: Wie sind Sie da hingekommen?
Eisner: Ich kann mich nicht erinnern.
Portier: Was haben Sie da gemacht?
Eisner: Das sage ich nicht.
Portier
(spricht mehr zu sich): Da hat ja die Omi volles Programm gehabt! (wendet sich an Eisner) Man wollte also an meiner Provision sparen?
Eisner: Welche Provision denn?


In das Foyer kommt die Französin.

5. Bild

Direktor: Warum hast Du den Gast in die 311 und nicht in die 310 geschickt?
Portier: Für
Zimmer 310 ist niemand gekommen.
Direktor: Wie, nicht gekommen, was redest Du da! Ich sehe sie doch mit eigenen Augen!
Portier: Das ist nicht sie.
(wendet sich an die Französin) Haben Sie sich verirrt, Großmutter? Also werde ich Ihnen den Weg nach draußen zeigen. So was passiert ... das passiert schon mal.
Direktor
(geht zur Französin und küsst ihr die Hand): Madame! Was für eine Ehre für uns!
Portier: Da haben Sie aber eine Ehre gefunden! Schließlich hat man sie uns auf unseren Anruf hin geschickt.
Direktor: Auf welchen Anruf hin? Du Idiot! Sie tourt um die ganze Welt und hat Engagements für Jahre im Voraus.
Portier: Also einen reichen Kundenstamm. Alle Achtung, Großmutter!

Das Telefon klingelt. Eisner hebt den Hörer ab und lauscht aufmerksam. Dann legt er den Hörer auf und redet zu den Umstehenden.

Eisner: Ein Anruf von der Begleitagentur. Es tut ihnen furchtbar leid, aber ein entsprechendes Mädchen zu finden, ist nicht gelungen. Eine Frau mit den Maßen 90/60/90 übrigens auch. Aber sie können die Maße 120/120/120 anbieten.
Portier: So eine Kuh können sie für sich behalten. Schrecklich! Sagen Sie nichts, Herr Direktor. Ich habe auch so alles verstanden. Ich bin wieder gefeuert.
Direktor: Natürlich gefeuert, Du Schuft.
Französin: Und wofür?
Direktor: ... für die Bemerkung „leichte Frau“.
(wendet sich an die Französin) Im Namen der gesamten Belegschaft unseres Hotels und der frechen Fresse des Nachtportiers sprechen wir Ihnen unser aufrichtigstes ...
Portier: … Beileid aus ...
Direktor: ... halt die Klappe. Nun, natürlich, unsere aufrichtigste Entschuldigung.
Französin: Aber mir ist so wohl mit diesem eigentümlichen Status. Denn in meinem ganzen Leben bisher hat mich niemand so genannt. Außer dem Nachtportier. Übrigens: Die Männer in meinem Zimmer waren einfach toll!
Direktor
(versucht, die unangenehme Situation zu glätten): Nun, was sind Sie für eine Frau des leichten Gewerbes. Gerade Sie sind doch vom schwersten, vom ... betagten.
Französin: Aber Ihr Kompliment gefällt mir ganz und gar nicht.
Direktor: Entschuldigen Sie, Madame. Natürlich, eine Frau guten Benehmens!
(sieht das unzufriedene Gesicht der Französin) Was, keines anständigen? In der Tat, wie Sie meinen!
Portier
(rüttelt am Direktor): Wer spricht denn so mit einem französischen Gesangstalent? Überlassen Sie das lieber mir!
Direktor
(flüstert): Tu was du willst, aber bügele Dein und mein schlechtes Benehmen aus.
Portier
(wichtig): Wird erledigt. Haben Sie da keinen Zweifel. (wendet sich an die Französin) Madame, mich erreichte die Nachricht, dass Sie offensichtlich keine Sch ... Französin (legt den Finger auf die Lippen): Sch…!
Direktor: Was redest Du da, Du Schaumschläger!
Portier: Aber ich dachte doch, dass Sie eine Sch ...
Direktor: Sch …
Portier: Dass Sie, gute Dame ... Chansonsängerin sind.
Direktor: Richtig, Stefan. Die Französin ist Chansonsängerin, Du aber bist ein echter …
Französin: Sch …
Direktor: ... Schlamperich, was Deinen Dienst angeht!

Portier (flirtet): Madame, bevor Sie gehen, beantworten Sie mir die Frage, wie eine Französin so ausgezeichnet Deutsch sprechen kann!
Französin: Ich bin gebürtige Deutsche, habe aber mein ganzes Leben in Frankreich gelebt. Das ist lange her, das war noch vor dem Krieg.
Eisner: Vor welchem Krieg?

Direktor: Vor dem Preußisch-Französischen Krieg! Haben wir doch in der Schule gelernt.
Portier: Hören Sie nicht auf den Herrn Direktor, Madame. Ich habe alles verstanden. Ich bedaure, mich ihres angebotenen Ständchens enthalten zu haben!
Französin
(flirtet und zwinkert mit dem rechten Auge): Wir werden sehen. Vielleicht bleibt es ja nicht nur bei dem einen Lied.
Portier: Ich bin mir sicher, dass alles noch vor uns liegt. Und Sie sollten mich unbedingt küssen. Ich habe das mehr als jeder andere verdient.
Französin
(küsst): Gut, mein Enkel.
Portier
(spricht mit ganzer Stimme): Aber wir vergessen trotzdem nicht, im Gästebuch ein paar nette Worte über den Portier zu hinterlassen.
Französin
(schreibt): Ja, natürlich. (geht weg)

6. Bild

In das Foyer kommt die Ehefrau von Herrn Eisner und ist offen zärtlich zu ihm.

Frau Eisner: Du warst so sanft zu mir, mein Lieber. Mehr als je zuvor!
Herr Eisner: Ja, ich weiß. Bis Mitternacht.
Frau Eisner: Nein, kurz vor dem Sonnenaufgang. Oh, was für ein Liebhaber Du warst. Ich bin völlig dahin geschmolzen.
Herr Eisner: Kurz vor dem Sonnenaufgang? Du verwechselst da etwas.
Frau Eisner: Nun, wenn Du Deine Heldentat
geheim halten willst ...
Herr Eisner: Aber das kann nicht sein! Das hast Du nur geträumt.
Frau Eisner: Ich fühle immer noch Deine starken Hände an mir. Sogar blaue Flecken sind geblieben. Na ja, ich werde Dich nicht weiter stören. Hast Du das Bier schon gekauft? Den Kasten?
Herr Eisner: Was für Bier?
Frau Eisner: Okay, ich schweige. Schließlich beäugt man es hier argwöhnisch, wenn ein Gast sein Geld anderswo verbrät.
Portier: Wir vergessen mal lieber nicht, im Gästebuch lobende Worte über den Nachtportier zu hinterlassen.
Frau Eisner
(schreibt): Unbedingt. Ich werde auch alles so aufschreiben, wie es war. (geht weg)

7. Bild

Portier
(wendet sich an Herrn Eisner): Brauchen Sie eine gesonderte Einladung? Schreiben Sie auch etwas Angenehmes über mich.
Eisner
(schreibt nachdenklich): Ja … Ja, ja. Ich habe offensichtlich nichts an Ihnen auszusetzen.
Portier: Sehr schön. Und was schreiben Sie, Herr Direktor?
Direktor: Das findest Du in meinem Entlassungsschreiben.
Portier: Na, danke schön aber auch!
Eisner
(kommt nach einiger innerer Verwirrung zu sich) Entschuldigen Sie, aber wer hat da einfach mal so in meiner Abwesenheit meine Frau umarmt?
Portier: In der Tat, wer hat sich nur getraut, die Ehefrau von Herrn Eisner zu berühren, von allem anderen zu schweigen?
Eisner: Wo waren Sie heute Nacht, meine Herren?
Portier: Ja, wo waren Sie heute Nacht, Herr Direktor?
Eisner: Meine Frage bezieht sich auch auf Sie.
Portier: Zuerst sollte mal Herr Donner auf Ihre Frage antworten! Und nach seiner Antwort werden Sie sofort erkennen, dass es unpassend ist, mir diese Frage zu stellen.

Eisner kommt Donner immer näher.

Direktor: Ich kann Ihnen das nicht sagen. Aber glauben Sie mir, ich habe einen lebendigen Zeugen, der meine Worte bestätigen kann.

Portier: Also haben Sie Frau Eisner … zu zweit mit einem Zeugen! Undenkbar! (wendet sich an Eisner) An Ihrer Stelle hätte ich den Herrn Direktor längst abgemurkst.

8. Bild

Wiederum kommt das seltsame Mädchen von Zimmer 333 ins Foyer.

Isabella: Der Herr Direktor war bei mir.
Portier: Glauben Sie ihr nicht, Herr Eisner. Sie sind alle eins, alle gegen mich.
Eisner: Können Sie mir das schwören?
Isabella. Ja.
Direktor: Wie beim Gelöbnis.
Portier: Ich segne Euch, meine Kinder. So, jetzt muss ich mich aber auf die Übergabe vorbereiten.
Eisner: Das schaffst Du noch.
Portier: Ich darf mich nicht verspäten, ja und auch der Herr Direktor wird wie immer genervt sein.
Eisner: Wo warst Du vor Sonnenaufgang?

Portier: Wie jetzt, wo? Sie stellen Fragen! An der Arbeit natürlich. Ich arbeite auf der Arbeit … und lebe auch dort.
Eisner: Und stirbst noch auf Arbeit!

Herr Eisner jagt dem Nachtportier durch das Foyer hinterher.

Portier: Sie fürchten nicht, Ihren so wertvollen Mitarbeiter zu verlieren, Herr Direktor?
Direktor: Überhaupt nicht. Und alles schieben wir auf einen unglücklichen Zufall. Ich helfe Dir sogar hinzufallen.

Eisner und Donner kommen von verschiedenen Seiten und nehmen den Nachtportier in die Zange. Er hat seine Arme vor ihnen erhoben und versucht, sie vom Griff an seinen Hals abzuhalten.

Portier: Halten Sie inne! Im Angesichte des nahen Todes werde ich Ihnen ein schreckliches Geheimnis preisgeben. Ja, ich bin aufs Zimmer gegangen, aber nicht auf die 339, sondern auf die 336.
Eisner: Er hat selbst zugegeben, dass er sich mit meiner Frau vergnügt hat.
Portier: Sie verwechseln bloß immer das Zimmer Ihrer Frau mit dem Zimmer Ihrer Geliebten.
Eisner: Also hast Du auch noch mit meiner Geliebten …! Ich bringe Dich um!
Direktor: Dein Wille geschehe.
Portier: Warten Sie, das war doch nur ein Scherz ...
Direktor: Ein toller Scherz. Schade bloß, dass wir ihn nicht verstanden haben.
Portier: Haben Sie wirklich vor, mich loszuwerden?
Direktor: Amen.
Portier: Wenn Sie das mit mir tun, Herr Direktor, verlieren Sie gleich zwei weitere unersetzliche Mitarbeiter.
Direktor: Bluff Du nur. Was Stefan nicht alles tut, bloß um der gerechten Vergeltung zu entgehen! Ein Nachttopf!
Eisner: Das meine ich aber auch!
Portier: Leider ist das die traurige Wahrheit. Immerhin arbeite ich in Ihrem Hotel auch als Hausmeister und Barkeeper.
Direktor: Warte mal, willst Du damit sagen, dass alle sie Du sind?

Portier: Nein. Ich – das sind sie.  

Eisner: Aber es ist unmöglich, an drei Stellen zu arbeiten und dreimal Lohn zu bekommen!
Direktor: Oh, für diesen Schurken ist nichts unmöglich. Sie alle drei haben nichts  gemacht, aber ich habe ihnen fetten Lohn gezahlt.
Direktor: Oh, was war ich blind! So etwas zu übersehen!
Eisner: Und wann hast Du denn geschlafen?
Portier: Als ich beim Nachtdienst war.
Direktor (fängt an zu schreien): Entlassen! Nein, dieses Mal sind alle entlassen. Keine Abfindung und auf die schwarze Liste gesetzt!
Portier: Ich kann ja auch um Entlassung auf eigenen Wunsch bitten! Aber das Gästebuch muss ich wohl mitnehmen.
Direktor: Sei es drum!

Portier: Da wurde auf jeder Seite über mich geschrieben!
Direktor (äfft den Nachtportier nach): „Vergessen wir also nicht, ein paar nette Worte über den Nachtportier zu hinterlassen!“
Portier: Hier schreibt zum Beispiel Ihre Isabella, Herr Direktor. (er liest aus dem Buch) "Die ganze Nacht habe ich den Nachtportier betört. Dieser unsittliche Kerl! Will weibliche Bedürfnisse einfach nicht verstehen. Der Direktor ist da eher ohne Vorurteile. Obwohl er alles will, ist er aber zu nichts imstande. Schlichtweg impotent! Den Nachtportier nehme ich mir also noch einmal zur Brust."
Direktor: Das kann nicht sein.

Portier: Und hier schreibt die französische Sängerin. "Endlich sieht man in mir eine Frau vom leichten Gewerbe. Irgendwann muss man ja doch anfangen! Ich fürchte, dass ich nicht mehr aufhören kann." (Pause)
Und hier ein Kommentar ohne Unterschrift. "Bin fremdgegangen. Habe jetzt erfahren, was ein wahrer Orgasmus ist. Danke. Ich mache weiter so." Und unleserlich: "Ich schlief mit einem Mann. Aber da war nichts. Es scheint so ... ".
Direktor: Also alle mögen Dich und ich bin der Einzige, der sich Dir gegenüber kritisch verhält, oder was?

Portier: Offensichtlich.
Direktor: So. Dann streiche jetzt den Impotenten aus dem Gästebuch und nimm an, dass Du schon einmal eingestellt bist.
Eisner: Das Unleserliche würde ich auch rausnehmen.
Direktor: Tu, was der geschätzte Kunde rät. Und wie per Zauberstab wirst Du ein zweites Mal eingestellt.

Portier (streicht durch): Und was ist mit Isabella?
Direktor: Das ist Erpressung! Okay, arbeite an drei Stellen, aber nur zu einem Lohn.
Portier: Aber ich mach da nicht mit!
Direktor: Erst mal für drei Tage, und dann schauen wir. Ich kann mich jetzt nicht weiter um Dich kümmern. Du denkst doch, Du bist hier allein!
Portier: Nein, zu dritt. (Pause) Was soll ich jetzt tun?
Direktor: Wenn ich Dir sagen würde, arbeite, Stefan, und Du würdest arbeiten, dann arbeite, aber ich kenne Dich zu gut, dass Du für gewöhnlich meine Anweisungen nicht ausführst. Deshalb hier mein Rat an Dich, ja, und auch an Sie, Herr Eisner, noch ein wenig zu dösen. (er geht)

10. Bild

Portier: Also, in welchem Zimmer wollten Sie eigentlich nächtigen, Herr Eisner?
Eisner: Und Du?
Portier: Ich bin jetzt in einem solchen Zustand, dass es mir, ehrlich gesagt, völlig egal ist.
Eisner: Dann also in der 336.

Portier: Will heißen, in der 339.
Eisner: Nein. In der 339.
Portier: Also in der 336!
Eisner: Willst Du mich ganz verwirren?
Portier: Ich will nur wissen, wo Sie schlafen werden und mit wem.
Eisner: Ich … in der dreihundert … dreißig ... ich sage nichts!
Portier: Also zu wem zieht es Sie am meisten?
Eisner: Zur Frau ... und gleichzeitig zur Geliebten. Und von der Liebhaberin zur Frau zurück.
Portier: Irgendwie unverständlich!
Eisner: Das ist auch gut so, dass Du nichts verstehst, Nachtportier. Also, denk nicht weiter drüber nach.
Portier: Dann gehe ich und lege mich schlafen ... in der 311.
Eisner
(entsetzt): Nein, nur nicht da. Ich flehe Dich an! Eine Nacht mit einem Mann kann ich mir ja noch vorstellen. Aber mit zweien ... Um nichts auf der Welt.
Portier: So, ich gehe jetzt los.
Eisner: Vielleicht trinken wir erst mal Deinen Cognac zu Ende, Stefan. Und zum Teufel mit den Frauen!
Portier: Das ist es ja, was ich gerade vorschlage: den Rest der Nacht unter Männern zu verbringen.
Eisner
(schreit): Nein! Komm zu Dir!

Der Nachtportier geht ins Zimmer 311, während Eisner ihn mit allen Mitteln daran zu hindern versucht.

Vorhang fällt

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