Der Held des Romans ist Lutz Leiermann, ein Mann zwischen 30 und 40 Jahren. Der Ausbildung nach Rechtswissenschaftler, zur Zeit aber arbeitslos. Nach seiner Rückkehr aus dem Ausland versucht er, wieder eine berufliche Laufbahn einzuschlagen, doch dies ist nicht von Erfolg gekrönt. Und nun, in einer Phase langer Überlegungen, trifft er die endgültige Entscheidung, Experte auf dem Gebiet der Psychologie und Soziologie zu werden. Als Humanwissenschaftler hat er sich aus all der unnützen Wissenschaft drei Prinzipien herausgezogen, drei Stützen eines jeden diplomierten Fachmanns, der in diesem Bereich arbeitet. Es sind dies Glaube, Hoffnung und Liebe. Die Eckpfeiler eines jeden menschlichen Schicksals.
Der einzige Zweck seiner beruflichen Praxis wird sein, jeweils einer konkreten Person zu helfen, glücklich zu werden. Alles andere ist nicht von Bedeutung. Er ist Arzt all der müden Herzen. Krankenschwester für die blutenden seelischen Wunden. Chirurg mit dem Skalpell in der Hand, der die Leere in den unsterblichen Seelen entfernt.
Er wird zum Taschentuch, in das die Leute schneuzen können. Zur Schulter, an der sie ihre innigsten Hoffnungen aussprechen können und zum Fußabtreter, an dem sich die vielen Patienten ihre Füße abtreten.
Mit dem Farbkopierer fälscht er sich ein Diplom zurecht, legt sich einen Doktortitel zu und mietet eine Praxis am Rande der Stadt.
Hier, so scheint es, ist alles bereit für den Empfang seiner ersten Kundin, die bereits an der Tür klopft und darum bittet, ein wirksames Mittel zur Belebung der ehelichen Bande für sie zu finden.
Claudias Ehemann ist prominenter Politiker, dessen Gefühle zu seiner Frau etwas abgekühlt sind und der so gar nicht mehr eifersüchtig auf sie ist. Aber was soll der Arzt tun, um sich das Zetern der Frau am Telefon später nicht anhören zu müssen, da sich sein ursprünglicher Plan, den Mann wieder in einen eifersüchtigen Othello zu verwandeln, zerschlägt?
Um seine erste Kundin irgendwie aufzumuntern, geht Lutz Leiermann einen verzweifelten Schritt: Er flirtet mit Claudia, und dann leistet er ihr noch einen ungewöhnlichen Dienst: Telefonsex.
Die Frau weiß zunächst gar nicht, wie sie auf die unbekannte männliche Stimme reagieren soll, aber bald erliegt sie ihm restlos.
Die erste Kundin ist zufrieden und in gewisser Weise sogar befriedigt. Die Treffen mit ihr tragen bereits turnusmäßigen Charakter und könnten zu einer echten Romanze führen.
Aber noch glauben nicht alle an den Psychologen und Soziologen in Personalunion. So wollen zum Beispiel seine leibliche Schwester Gabi und ihr platonischer Freund Hans-Dieter dem Arzt zu Hilfe kommen, denn sie meinen, er sei verrückt geworden. Sie wollen schon den Notarztwagen holen, doch fallen sie dem Reiz seiner perfekten Begabung, den vorzugeben, der er in Wirklichkeit nicht ist, anheim. Die sorgenvolle Leidenschaft der Familie hat sich gelegt, die leibliche Schwester stellt sich sogar auf Bitten des Arztes als Arzthelferin im Büro zur Verfügung und wartet auf die neue - alte – Kundin.
Und so geschieht das Irreparable, Gabi erfährt über Claudia, die Frau, die sie immer mal mit ihrem Mann gesehen hat, hinter dem Rücken die Wahrheit. Die getäuschte Schwester des Arztes redet mit der ersten Kundin Tacheles, deren Anblick mit jeder Minute trauriger wird.
Der Doktor rettet Claudia aus den Händen der leiblichen Furie und bringt die Frauen in verschiedene Zimmer. Erst als sie versteht, dass diese nicht die Geliebte ihres Mannes sein kann, da Lutz bis spät in die Nacht mit ihr geredet hat, bittet Gabi bei Claudia um Vergebung, die sich aber mehr Sorgen darüber macht, ob der Arzt auch weiterhin seine Sprechstunden abhält.
Seinen nächtlichen Kuss spürt die Frau noch immer auf ihren Lippen, von der Lektion, als sie mit dem Doktor den ersten Buchstaben des Alphabets der magischen Wissenschaft des Kusses erlernte. Ohne sich dessen bewusst zu sein, ist Lutz Leiermann schließlich deren Begründer.
Aber nicht alle haben so viel Glück wie Claudia und die ersten zwanzig Kunden, weil sich nun solche Kundinnen und Kunden einfinden, bei denen der Doktor der Psychologie und Soziologie gezwungen ist, zu stärkeren psychologischen Experimenten zu greifen.
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